Schönes Leben noch! (German Edition)
möchte sich einen neuen Truck kaufen.“
Typisch Mann, dachte Jill gereizt. „Aber das ist nicht Andys Geld“, erwiderte sie sanft. „Kalifornien ist ein Staat, in der die Regelung der Zugewinngemeinschaft gilt. Das bedeutet: Alles, was ein Ehepaar gemeinsam erwirtschaftet, gehört beiden Eheleuten zu gleichen Teilen. Ein Erbe allerdings – egal ob Geld, Grundstücke oder was auch immer – gehört nur der Person, die im Testament erwähnt ist. In diesem Fall also Ihnen. Wenn Sie das Geld auf ein separates Konto einzahlen und es nicht mit, sagen wir, Andys Gehaltsscheck vermischen, gehört alles Ihnen. Inklusive der Zinsen.“
Kims Miene verhärtete sich, bis sie wie ein Kaninchen aussah, das vor dem großen, bösen Wolf saß. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und bewegte den Kopf vor und zurück.
„Nein. Nein, das will ich nicht. Nein. Es ist nicht richtig. Andy will einen Truck.“
Jill gefiel es nicht, wie Kims Stimme zitterte. „Und was wollen Sie? “, fragte sie behutsam.
Kim schluckte. „Im Prinzip sind wir doch fertig, oder? Ich muss nämlich los. Ich habe noch einen Termin.“ Sie wirkte angespanntund hektisch.
„Natürlich. Nur noch einen kleinen Moment.“
Jill reichte ihr mehrere Papiere, die unterzeichnet werden mussten. Als Kim sich über den Schreibtisch beugte, rutschte ihr das Kleid von einer Schulter. Jill starrte auf einen dunklen, hässlichen Bluterguss, der die Form einer großen Hand hatte.
Sie fluchte stumm. Bitte, lieber Gott, mach, dass diese arme Frau nicht geschlagen wird, betete sie. Nicht hier. Los Lobos mochte vielleicht nicht ihrer Vorstellung von einer Stadt mit Lebensqualität entsprechen, aber der Gedanke, dass hier schreckliche Dinge geschahen, war ihr verhasst.
„Sonst noch was?“, fragte Kim, als sie sich wieder aufrichtete und ihr Kleid ordnete.
Jill hatte mindestens zwei Dutzend Fragen, die sie auf keinen Fall stellen würde. Noch nicht. Sie wusste doch überhaupt nicht, was wirklich geschehen war. Vielleicht bildete sie sich Kims Angst auch nur ein, und der Bluterguss hatte gar nichts mit ihrem Ehemann zu tun. Vielleicht aber auch nicht. Doch das würde sie schon herausfinden.
„Das ist fürs Erste alles.“ Jill erhob sich. „Ich rufe Sie an, wenn ich den Scheck erhalten habe. Sobald wir mit dem Papierkram durch sind, können Sie ihn zu Ihrer Bank bringen.“
Kim sah noch immer misstrauisch aus. Sie verabschiedete sich und eilte aus dem Büro.
Jill folgte ihr langsam und wartete, bis sie weg war, ehe sie auf Tinas Schreibtisch zuging. Obwohl schon Mittwoch war, hatte sich ihre Assistentin/Sekretärin/Rezeptionistin noch immer nicht von ihrem Wutanfall erholt. Aber Jill war nicht bereit, sich davon abschrecken zu lassen.
„Kennen Sie Kim Murphy?“, fragte sie von der Tür.
Tina sah nicht hoch. „Flüchtig. Sie und Dave sind Cousine und Cousin zweiten Grades, glaube ich. Wir haben nicht viel mit ihnen zu tun.“ Nun hob sie den Kopf. „Warum?“
„Ich versuche gerade, mich zu entscheiden, ob ich mich in etwaseinmischen soll oder nicht.“
„Warum sich damit rumplagen, wenn Sie ohnehin bald gehen?“
Jill seufzte. Wie immer gab Tina ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. „Was wissen Sie über ihre Ehe?“
„Über sie und Andy? Die bleiben lieber unter sich.“
„Wie ist er denn so?“
Tina runzelte die Stirn. „Kräftig. Und ruhig, solange man ihn nicht verärgert. Er arbeitet auf dem Bau.“
Na toll. Ein großer, kräftiger Mann, der Zugang zu Elektrowerkzeug hatte und vermutlich aggressiv war.
„Was sollen die ganzen Fragen?“
„Reine Neugier. Ich muss mal eben weg. Bin in zwei Stunden wieder da.“
„Dann bin ich nicht mehr hier.“
Warum überraschte sie das nicht?
Jill ging zur Polizeiwache, die etwa sechs Blocks von ihrer Kanzlei entfernt lag. Als sie die Straße überquerte, machte sie sich im Geiste einen Vermerk, das Auto am Nachmittag zu holen, damit sie es am nächsten Morgen für ihre Fahrt nach Los Angeles vor der Tür stehen hätte.
Nun, da es eine konkrete Fluchtmöglichkeit gab, war sie auf einmal von den pittoresken Details der restaurierten Innenstadt verzaubert. Ebenso davon, dass sich alle mit einem Lächeln auf den Lippen grüßten.
Bei der Wache angekommen, drückte sie eine Seite der Doppeltür auf und ging zum Empfangsschalter.
Der Empfangsbereich war groß und mit Vinylboden ausgelegt. An einer Anschlagtafel hingen Fahndungsposter und Anzeigen für Garagenflohmärkte. Ein langer,
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