Schönes Leben noch! (German Edition)
Gefühle für Rudy sind stärker als mein Bedürfnis, für meine Berufung rein zu bleiben.“
„Du machst Witze.“
Rudy zwinkerte. „Hey, ich bin Italiener. Sie wissen doch, was das heißt.“
Nein, das wusste sie nicht, und so sollte es auch bitte bleiben. „Sag mir wenigstens, dass ihr gewartet habt, bis Mac Emily abgeholt hat.“
„Natürlich.“ Bev klang schockiert. „Sie ist doch noch ein Kind.“
„Gut. Ich wünschte, wir könnten dasselbe von mir sagen.“ Sie stand auf. „Wisst ihr was, ich gehe ein bisschen raus und lasse euch alleine.“
„Nicht nötig“, meinte Rudy, während er Bev einen Arm um die Taille legte und sie dicht an sich zog. „Ich nehme sie mit zu mir. Wir werden gemütlich zu Abend essen oder so.“
Es war das „oder so“, das Jill nervös machte. „Okay, dann … sehe ich dich wohl morgen, hm?“
Bev lehnte sich gegen Rudy und seufzte. „Ich werde rechtzeitig zurück sein, um mich um Emily zu kümmern.“
„Sehr schön. Amüsiert euch.“
Jill huschte aus der Küche und lief die Treppe hoch. In ihremZimmer angekommen, schloss sie vorsichtig die Tür, warf sich aufs Bett und legte sich ein Kissen aufs Gesicht. Erst dann stieß sie einen kurzen, lauten Schrei aus.
Rudy und Bev hatten Sex miteinander? Warum hatte sie das nur erfahren müssen? Es war ja nicht so, dass sie den beiden ihr Glück missgönnte. Bev hatte es immer vorgezogen, allein zu sein, und schien damit glücklich gewesen zu sein. Wenn sie nun mit einem Mann zusammen sein wollte, fand Jill das fantastisch. Sie war sich zwar nicht so sicher, ob sie sich ausgerechnet Rudy ausgesucht hätte, aber das war ebenfalls nicht ihre Entscheidung.
Nein, ihr Unbehagen resultierte nicht aus der Beziehung der beiden – es hatte einen viel primitiveren Grund. Von Jills Kindheit an war Bev fast so etwas wie eine Mutter für sie gewesen, und die Vorstellung, dass die Frau, bei der sie quasi aufgewachsen war, es mit einem Mann trieb, hatte schlicht und ergreifend einen hohen Ekelfaktor.
Sie warf das Kissen beiseite und setzte sich auf. „Was, wenn ich nach oben gegangen wäre, ohne vorher zu rufen?“, fragte sie sich. „Am Ende hätte ich noch was gesehen.“
Der Gedanke jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Wahrscheinlich wollten Kinder niemals hören, dass ihre Eltern sexuell aktive Wesen waren. Und dafür gab es mit Sicherheit einen biologischen Grund, bei dem sie es einfach bewenden lassen sollte.
Sie hörte, wie Bev und Rudy hin und her gingen, vermutlich um für die große Pyjama-Party zu packen. Jill ging zu ihrem Schrank und zog sich schnell Shorts und ein T-Shirt an. Sie zog sich die Nadeln aus den Haaren, kämmte sich und schmierte sich mit Sonnencreme ein. Ein Spaziergang am Strand würde ihr helfen, wieder einen klaren Kopf zu kriegen.
Als sie fertig war, ließ sie sich aufs Bett fallen, um Bev und Rudy genügend Zeit zu geben zu gehen. Sie berührte das Telefon und überlegte, ob sie kurz bei Gracie anrufen sollte, zog die Hand jedoch wieder weg. Sosehr sie ihre Freundin auch liebte, im Augenblick wollte sie eigentlich nur mit einer Person sprechen –und das war Mac. Doch der hatte ihr klar zu verstehen gegeben, dass er kein Interesse daran hatte, mit ihr zu reden.
Mac nahm die aktuelle Ausgabe von Auto und Fahrer herunter und sah zu, wie Emily eine Seite in ihrem Buch umblätterte. Sie war beim Lesen ganz still und vollkommen in die Geschichte versunken. Einige Strähnen fielen ihr in die Augen, und sie wischte sie weg, ohne von ihrem Buch aufzusehen.
Sie ist so wertvoll, dachte er, und sein Herz schmerzte vor lauter Liebe zu ihr. Trotz der Probleme, die er mit ihr hatte, waren die vergangenen Wochen verdammt schön gewesen.
Er sah sich die Form ihrer Wange an, ihre zarten Schultern und verzog beim Anblick des lilafarbenen T-Shirts das Gesicht. Lilafarbene und blaue Tage waren immer ganz besonders fies. Em mochte bei allen anderen völlig normal essen, doch bei ihm bestand sie nach wie vor auf farblich abgestimmte Mahlzeiten. Er vermutete, dass das eine Art Bestrafung war – und zwar eine, die er verdient hatte.
Er lehnte sich im Sofa zurück und rieb sich die Nasenwurzel. Sie ist noch so jung, dachte er traurig. Viel zu jung, um zu erleben, was sie erlebt hatte. Zu jung, um zu denken, dass ihr Daddy ihr wehgetan hatte.
Er hatte nie gewollt, dass das geschah. Vor allem weil er selbst genau wusste, wie schrecklich es war. Er war nur wenige Jahre älter als Emily gewesen, als sein Vater
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