Schönheit der toten Mädchen
allen Seiten. Bald traf auch die Neswizkaja ein. Sie ging zwischen zwei Gendarmen, die Schultern gestrafft und den Kopf erhoben. Ihr Gesicht war haßverzerrt.
Da quietschte die Tür, und Ishizyn schaute herein. Er glühte vor Erregung – wie ein Theaterbesitzer vor der Premiere.
»Die Täubchen sitzen einstweilen im Büro, unter Bewachung«, teilte er Anissi mit. »Kommen Sie schauen, ob alles in Ordnung ist.«
Anissi erhob sich widerwillig und ging in den Seziersaal.
In der Mitte des großen Raums war ein freier Platz, auf drei Seiten von Tischen umstanden. Auf jedem Tisch lag unter einer Plane ein Leichnam. Hinter den Tischen, entlang der Wand, standen die Gendarmen, Polizisten, Totengräber, der Wärter, eine Amtsperson für zwei Leichen. Am äußersten Tisch saß auf einem einfachen Holzstuhl Sacharow, wie immer mit Schürze und die obligate Pfeife zwischen den Zähnen. Er hatte ein gelangweiltes, ja, schläfriges Gesicht. Seitlich hinter ihm stand Grumow, wie die Gattin mit dem Angetrauten auf einem Kleinbürger-Photo, nur daß er nicht die Hand auf Sacharows Schulter gelegt hatte. Der Assistent sah bedrückt aus – offensichtlich war dem stillen Mann ein solcher Menschenauflauf in diesem Reich des Schweigens unheimlich. Es roch nach Desinfektionsmitteln, doch den scharfen chemischen Geruch durchdrang nachhaltig süßlicher Verwesungsgestank. Auf einem abseits stehenden kleinen Tisch lag ein Stapel Papiertüten. Der gründliche Ishizyn hatte an alles gedacht – es konnte ja jemandem schlecht werden.
»Hier werde ich stehen.« Ishizyn zeigte mit dem Finger. »Und dort die drei. Auf mein Kommando greifen die sieben Männer mit jeder Hand nach einer Plane und ziehen sie weg. Ein exorbitanter Anblick. Sie werden es gleich selbst sehen. Mit der Nase, mit der Nase stoßen wir diese Schweinehunde mitten hinein. Ich bin sicher, daß die Nerven des Verbrechers nicht standhalten werden. Oder doch?« fragte er plötzlich beunruhigt und betrachtete das Arrangement.
»Sie werden nicht standhalten«, antwortete Anissi mürrisch. »Bei keinem der drei.«
Er begegnete dem Blick Pachomenkos, und der zwinkerte ihm verstohlen zu: Gräm dich nicht, Jungchen, denk an die Schwielen.
»Hereinführen!« schnarrte Ishizyn, zur Tür gewandt, lief rasch in die Mitte des Zimmers und nahm die Pose unbeugsamer Strenge ein: die Hände auf der Brust verschränkt, einen Fuß vorgesetzt, das schmale Kinn hochgereckt, die Brauen gerunzelt.
Die Inhaftierten wurden hereingeführt. Stenitsch starrte sofort auf die schrecklichen Planen und zog den Kopf zwischen die Schultern. Anissi und die übrigen schien er gar nicht wahrzunehmen. Dafür interessierte sich die Neswizkaja überhaupt nicht für die Tische. Sie betrachtete die Anwesenden, heftete den Blick auf Anissi und lachte verächtlich auf. Anissi errötete vor Pein. Der Millionär stellte sich neben den Tisch mit den Papiertüten, stützte die Hand auf und drehte neugierig den Kopf. Er zwinkerte Sacharow zu. Der nickte zurückhaltend.
»Ich bin ein geradliniger Mensch«, begann Ishizyn mit spröder, durchdringender Stimme, wobei er jedes Wort betonte. »Darum werde ich nicht um den heißen Brei herumreden. Inden letzten Monaten ist in Moskau eine Reihe ungeheuerlicher Morde verübt worden. Die Ermittlungsbehörden wissen, daß einer von Ihnen diese Verbrechen begangen hat. Ich werde Ihnen jetzt etwas Interessantes zeigen und dabei jedem in die Seele blicken. Ich bin ein erfahrener Wolf der Kriminalpolizei, mich führt man nicht hinters Licht. Bislang hat der Mörder das Werk seiner Hände nur nachts gesehen, in einem Zustand des Wahnsinns. Aber nun können Sie sich daran ergötzen, wie es bei Tageslicht aussieht. Los!«
Er gab ein Zeichen, und die Leichentücher glitten wie von selbst zu Boden. Linkow verdarb allerdings ein wenig den Effekt – er riß zu heftig, und die Plane blieb am Kopf der Leiche hängen. Der tote Kopf fiel hölzern auf den Tisch zurück.
Der Anblick hatte es wirklich in sich. Anissi bedauerte, sich nicht rechtzeitig abgewandt zu haben, doch nun war es zu spät. Er preßte sich mit dem Rücken an die Wand, holte dreimal tief Luft und atmete aus – es schien nachzulassen.
Ishizyn blickte nicht auf die Leichen. Er saugte sich mit den Augen an den Verdächtigen fest, wechselte abrupt von einem zum andern: Stenitsch, Neswizkaja, Burylin; Stenitsch, Neswizkaja, Burylin. Und noch einmal, und noch einmal.
Anissi bemerkte, wie bei dem Polizisten Pribludko, der
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