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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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heißen. Stumpf sieht, wie die Besatzungen auf anderen Schiffen, die neben ihnen liegen, Hurra rufen und die Mützen in die Luft werfen. Der schlanke Rumpf eines U-Boots, U53, zeigt sich: «Die gesamte Besatzung stand im Ölzeug an Deck und strahlte vor Vergnügen über die Ehre und Aussicht des langen Heimaturlaubes.»  76
    Stumpf wünscht, er wäre einer von ihnen. Zugleich sehnt er sich danach, dass der Krieg bald zu Ende ist. Wie so oft empfindet er einen Zwiespalt:
     
War er wirklich so schön, der holde Friede? An der heutigen Zeit gemessen, ja; aber zufrieden waren wir damals keineswegs. Ich erinnere mich, dass von vielen der Krieg gewünscht wurde – damit bessere Zeiten kommen sollten. Wenn ich an die Sorgen um die Arbeit denke, die Lohnstreitigkeiten, die lange Arbeitszeit und vieles andere, dann erscheint mir die Zukunft selbst im Frieden nicht im rosigsten Licht. Augenblicklich erscheint es wohl als paradiesischer Zustand, wenn sich wieder ein jeder so viel Brot, Wurst und Kleider kaufen kann, wie er will. Aber was nützt dem armen Teufel das Recht, wenn er nicht die Mittel hat, um es auszunützen! Vielleicht steht uns die wirkliche Krisis erst noch für die goldene Friedenszeit bevor …

123.
    Samstag, 16. Dezember 1916
    Angus Buchanan sieht in Kisaki Verstärkungen eintreffen
     
    Es ist eine Atempause für sie alle. Angus Buchanan hat sich von der Ruhr erholt, und das Bataillon, oder was davon übrig ist, hat die Strapazen des Herbstes hinter sich gelassen. Beide entwickeln in kurzer Zeit erstaunlich viel Energie. Buchanan hat seine Vogelsammlung erweitert und einen Erkundungsauftrag auf der anderen Seite des Mgetaflusses ausgeführt; er hat – trotz einer Malaria-Attacke – seinen ersten Elefanten geschossen, einen jungen Bullen, und kurz darauf eine große Kuh. Gleichzeitig unternahmen die Truppen alle Anstrengungen, um den weiteren Vormarsch durch Feindesland vorzubereiten. Sie haben Bäume gefällt und mehrere Brücken über den Mgetafluss errichtet. Bei Kirengwe wurde eine breite Schneise durch den Urwald geschlagen.
    Heute beleben sich die Geister noch mehr, denn eine Kolonne von etwa hundertfünfzig Mann erscheint, eine willkommene Verstärkung für das ausgedünnte Bataillon. An der Spitze geht ein Mann mit einem großen Schlapphut und einem Jagdgewehr: Buchanans alter Kompaniechef, Frederick Courtney Selous. Er ist inzwischen fünfundsechzig Jahre alt und war vor einigen Monaten so krank, dass er nach Großbritannien transportiert wurde. Niemand hatte an seine Rückkehr geglaubt. Jetzt scheint er in ausgesprochen guter Verfassung zu sein. Buchanan und die anderen sind froh und beeindruckt: «Welch eine vorbildliche Loyalität, dass er in seinem hohen Alter an die Front zurückkehrte, um für sein Land zu kämpfen!» Selous ist umso willkommener, als er auch davon berichten kann, wie es zu Hause steht und wie ganz allgemein die Kriegslage sich darstellt.
    Später, als der Tag abkühlt und die Schatten länger werden, unterhalten sie sich über dies und das. Selous erzählt von seiner großen Schmetterlingssammlung, die er mit nach Großbritannien genommen hat; Buchanan erzählt von seiner Elefantenjagd. Inzwischen errichten die schwarzen Träger in Buchanans Maschinengewehrzug eine Grashütte für den Mann, den sie Bwana M’Kubwa nennen – den großen Boss. In einigen Tagen werden sie alle nach Südosten aufbrechen, zum Rufijifluss, wo der Feind sich verschanzt haben soll. Neue Spannung liegt in der Luft.

124.
    Sonntag, 24. Dezember 1916
    Herbert Sulzbach feiert Weihnachten an der Somme
     
    So kamen sie schließlich an die Reihe. Seit dem 18. November steht Sulzbachs Batterie an der Somme. Auch wenn er in seiner Frontzeit viel erlebt hat, hat er doch eine solche Zerstörung noch nie gesehen: «Wie durcheinandergeworfen und gleichsam tot liegen die Teile der Häuser zu Trümmern auf der Straße; was heißt Straße, es ist ja nur ein Sumpf- und Trichterfeld; man kann kaum gehen und stolpert.»
    Die Artilleriebatterien stehen nicht selten Rad an Rad. Und sind ständigem Granatfeuer ausgesetzt, von teilweise großen Kalibern von 22 oder 28   cm – und dies, ohne dass dort vorne irgendwelche Angriffe stattfänden. An einem normalen Tag verbrauchen sie selbst etwa eintausend Granaten – reine Routine.
    Überall Lehm. Keine Bäume. Zersplitterte Stümpfe, kaum einen halben Meter hoch. Am wintergrauen Horizont schweben mehrere feindliche Beobachtungsballons. Sulzbach ist zum Fähnrich

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