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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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befördert worden. Was ihn stolz macht. Die deutsche Friedensinitiative vor knapp zwei Wochen hat ihn außerdem mit Hoffnung erfüllt. Ein erstes Anzeichen dafür, dass Sulzbach, trotz seines oft demonstrierten Glaubens an die deutsche Sache und die deutschen Waffen, allmählich beginnt, des Krieges überdrüssig zu werden.
    Wieder ein Heiligabend im Feld.
    Sein jüdischer Hintergrund hat ihn bisher nicht daran gehindert mitzufeiern, auch dieses Jahr nicht. Hier an der Somme will sich der Feiertagsfriede aber kaum einstellen. Sulzbach ist empört darüber, dass der Feind dort drüben ihn nicht respektiert, «den höchsten und schönsten aller Feiertage», sondern weiter Druck macht. Noch um sieben Uhr abends sind sie vollauf damit beschäftigt, für Sperrfeuer vor den eigenen Linien zu sorgen. Es donnert und pfeift und grollt und zischt. Alle sind angespannt und nervös. Steht wieder ein feindlicher Großangriff bevor?
    Erst am späten Abend lässt der Beschuss so weit nach, dass Sulzbach, jetzt in seiner Eigenschaft als Fähnrich, in der Batterie von Geschütz zu Geschütz gehen und den Männern frohe Weihnachten wünschen kann. Er besucht auch alle tief eingegrabenen Schutzräume, die die Soldaten liebevoll mit Weihnachtsdekoration geschmückt haben. Er sieht Weihnachtsgeschenke, die bereit liegen, um geöffnet zu werden. (Sie haben vor kurzem Post bekommen, zusammen mit neuer Ersatzmannschaft.) Er hört die Soldaten «Stille Nacht, heilige Nacht» singen. Man könnte denken, dass die Umstände Weihnachten zu einer Farce werden ließen, aber es ist eher umgekehrt: «Wenn auch alle vorangegangenen Weihnachtsfeste die tiefe und fast heilige Stimmung hervorgerufen haben, so sind wir diesmal mitten in dieser großen Schlacht besonders bewegt.»
    Später setzt er sich ans Feldtelefon. Verbindlich wie immer ruft er die benachbarten Batterien und Kompanien an, um auch ihnen frohe Weihnachten zu wünschen. Er ist verwundert, aber auch dankbar, dass noch nicht alle Telefonleitungen zerschossen sind.

125.
    Samstag, 30. Dezember 1916
    Alfred Pollard schreibt einen Brief an seine Mutter
     
    Für Sergeant Alfred Pollard, DCM , war es ein gutes Jahr. Die erfolgreiche Schlacht am Krater von Sanctuary Wood Ende September des vorigen Jahres hat ihm eine Distinguished Conduct Medal eingebracht, was ihn mit Stolz erfüllt – obwohl er im Innersten ein wenig enttäuscht ist, denn er hatte auf die höchste Auszeichnung überhaupt gehofft, das Victoriakreuz.
    Nach einem Krankenhausaufenthalt in England und in der Erwartung, für diensttauglich erklärt zu werden, hat er die Zeit damit verbracht, ins Theater und in die Revue zu gehen (was für verwundete Soldaten kostenlos ist), zu feiern, im Garten seiner Mutter das Werfen von Handgranaten zu üben und den Antrag zu stellen, als Offizier angenommen zu werden, was auch bewilligt wurde. Seit Mai ist er zurück in Frankreich, wo er zum Bataillonsverantwortlichen für die Ausbildung im Handgranatenkampf ernannt wird. Nun folgt er wieder seiner alten Gewohnheit, sich auf nächtliche Streifzüge ins Niemandsland zu begeben.
    Nur die Nachricht vom Ende des Sommers, dass sein großer Bruder gefallen ist, hat ihn erschüttert. Er hat überlegt, ob er sich auf einen weniger riskanten Posten bewerben sollte – aus Rücksicht auf seine Mutter, der jetzt nur noch ein Kind geblieben ist. Doch er beschließt, seinen Bruder zu rächen und «mein Äußerstes zu tun, um so viele [Deutsche] wie möglich zu töten». Weihnachten hat er in einem französischen Schloss hinter den Linien gefeiert, wo er Soldaten im Handgranatenwurf ausbildet. Man hat ihm einen neuen Spitznamen gegeben, Bombo.
    An diesem Tag schreibt er einen Brief an seine Mutter:
     
Liebste Mutter,
ich habe gehört, dass es dir nicht recht gut gegangen ist. Ich hoffe, du bist jetzt wieder wohlauf. Die Post hat in letzter Zeit nicht gut funktioniert, vermutlich wegen der Weihnachtsfeierei. Das Fußballzeug und den Kuchen, den Perk gebacken hat, habe ich aber erhalten; alles in sehr ordentlichem Zustand. Zurzeit bin ich mit der Ausbildung beschäftigt, von der ich erzählt habe, und ich habe die Absicht, hier zu bleiben. Aber um ganz ehrlich zu sein, Mutter, fühle ich innerlich, dass ich das Bataillon begleiten muss, wenn es den Befehl erhält, an die Front zurückzukehren. Ich vermute, das wird nicht vor Ende Januar sein, also beunruhige dich nicht. Aber ich fühle wirklich, dass ich mit ihnen gehen muss. Ich habe mein Abschiedsgesuch

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