Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
Vom Netzwerk:
erwidert, und dann stürmten bewaffnete Männer das Foyer, wo unter Kronleuchtern und vor Spiegelwänden ein heftiger Kampf entbrannte. Viele Offiziere wurden erschossen oder mit Bajonetten erstochen. Der Weinkeller des Hotels wurde geplündert. (Wie in jenen Tagen in St. Petersburg üblich, vermischten sich Empörung und aufrichtiger Protest mit Vandalismus und schlichter Kriminalität.)  8
    Lobanov-Rostovskij begibt sich ein weiteres Mal auf die matschigen Straßen St. Petersburgs. Als es Abend wird, hat er immer noch kein klares Bild von der Lage, doch nun weiß er immerhin, wo sein Onkel und seine Tante sich befinden. Sie sind während der Unruhen aus dem Astoria zur Admiralität geflohen, wo es ebenfalls heftige Kämpfe gegeben hat. Was das Reservebataillon des Garderegiments angeht, dem er sich eigentlich anschließen soll, so erhält er die widersprüchlichsten Informationen:
     
Die Einheit hatte sich geweigert, an der Revolution teilzunehmen, und sei vollständig aufgerieben worden. Oder sie hätte sich als eine der ersten auf die Seite der Revolution gestellt, und die Soldaten hätten alle Offiziere getötet. Oder aber alle Offiziere hätten sich gerettet. Und so weiter.
     
    Besorgt beschließt er, am nächsten Morgen eine Droschke zur Kaserne zu nehmen und sich zum Dienst zu melden. «Folgen Sie einfach dem Strom, dann wird sich alles Weitere finden.»

136.
    Sonnabend, 24. März 1917
    Andrej Lobanov-Rostovskij wird zum Offizier des Soldatenrats gewählt
     
    Überall Zeichen von Auflösung. Die Soldaten sind schlampig angezogen, grüßen nicht, zeigen keinen Respekt. Er war praktisch ein Gefangener dort in der Kaserne, wo er auf die Entscheidung des Bataillonsrats gewartet hat. Werden sie ihn akzeptieren?
    Ja, heute haben sie ihn zu ihrem Offizier gewählt. Das bedeutet nicht, dass er die gleiche Position hat wie zuvor. Der Bataillonskommandeur erklärt ihm, die Offiziere seien wie konstitutionelle Monarchen, sie hätten formal Verantwortung, aber keine wirkliche Macht. Lobanov-Rostovskij ist trotzdem erleichtert – sie hätten ihn auch verhaften können. Oder noch schlimmer.
     
Es scheint, dass die entscheidende Stimme von einem Unteroffizier kam, der unter meinem Kommando gedient hat und dem Komitee berichtete, was 1916 bei Rejitsa geschah, wo ich auf eigene Verantwortung und gegen den Befehl des Regimentschefs meinen Männern Heimaturlaub gewährte. Sogleich wurde ich von zwei Mitgliedern des Komitees aufgesucht, die mich über die getroffene Entscheidung informierten und mich sehr höflich fragten, ob ich ihnen die Ehre erweisen würde, beim Bataillon zu bleiben. Am selben Abend erfuhren wir, dass fünf Offiziere des Moskauregiments, die gestern von ihren Soldaten gewählt worden waren, heute Nacht von diesen ermordet worden sind.

137.
    Montag, 26. März 1917
    Rafael de Nogales nimmt an der ersten Schlacht bei Gaza teil
     
    Seit sechsunddreißig Stunden hat Rafael de Nogales kein Auge zugetan, und er ist erschöpft. Er führte einen Spähtrupp weit hinter den feindlichen Linien, dessen Auftrag lautete, die Trinkwasserrohrleitung, die die Briten vom Suezkanal durch den Sinai bis zur Front nahe der alten Küstenstadt Gaza hinauf gebaut haben, zu finden und zu sprengen. In sechsunddreißig Stunden haben sie einhundertfünfzig bis einhundertsechzig Kilometer durch die Wüste zurückgelegt. Ihre Mission scheiterte auf der ganzen Linie – sie haben die Leitung nicht einmal gefunden. Als sie jetzt in der Dunkelheit ins Lager reiten, hat er nur einen Gedanken: zu schlafen. Im Lager herrscht indessen Unruhe. Es sind Berichte eingegangen, britische Einheiten seien im Begriff, das große wadi – also ein ausgetrocknetes Flussbett – zu durchqueren, das vor der Verteidigungslinie von Gaza liegt. Alle verfügbaren Verbände bereiten sich jetzt auf den Kampf vor. Dieser Anblick erweckt in de Nogales neues Leben: «Die überwältigende Müdigkeit, die ich spürte, verschwand sofort.» Er tauscht nur das Pferd und reitet anschließend davon, voller Tatendrang.
    Zunächst erhält de Nogales den Befehl, den großen Tross – mit seinen vielen Kamelen, Packpferden und Wagen – nach hinten in Sicherheit zu bringen. Die weißen Zelte werden zurückgelassen, um die Verlagerung nach Möglichkeit zu kaschieren. Danach kehrt er zu den Resten der türkischen Kavallerie zurück, die an einem strategisch wichtigen Punkt des großen wadi stehen, einem Punkt, den ihr Gegner gewiss angreifen wird, da es sich um die

Weitere Kostenlose Bücher