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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Umso besser kann Mousley Mustafa leiden, den einfachen Soldaten, der sie bewacht, und zu dem sie guten Kontakt haben; er imponiert ihnen, denn obwohl er – diese «einfache türkische Bauernseele» – schwer an Malaria leidet, erfüllt er treu und ohne Murren seine Pflicht.
    Es wird wärmer. Auch wenn Mousley und der andere Brite jetzt auf dem Wagen fahren können, ist es keine unbedingt angenehme Reise. Es ist heiß, sie werden durchgeschüttelt, und die Pferde brechen zwischendurch vor Schwäche zusammen, sodass man ihnen auf die Beine helfen muss; das Zaumzeug muss geflickt werden, und einmal kommen sie fast vom steilen Weg ab. Mousley machen seine Augen mehr und mehr zu schaffen, aber er ist dennoch eigenartig gut gelaunt. Er schreibt in sein Tagebuch: «Dies sind wunderbare Tage voller Bewegung, eine Reise, auf der die Welt wiederentdeckt wird, ein Übergang vom Schlaf zum Traumland, vom Tod zum Leben.»
    Er erkennt auch Einzelheiten wieder von damals, als sie in die Gefangenschaft nach Kastamonu gebracht wurden: eine kleine Hütte, eine Mühle, ein zerstörtes armenisches Haus. Die Nacht verbringen sie erneut in einem dieser kleinen Wirtshäuser. Nachdem sie geraucht haben, legen sie sich zum Schlafen aufs Dach. Vielleicht gibt es zu viel Ungeziefer im Haus, oder es ist dort einfach zu warm.
***
    Am gleichen Tag bricht Angus Buchanan von Camp C23 auf, einem weiteren heißen und ungesunden Dschungellager. Er schreibt:
     
Am 4. September verließ das Bataillon C23 und rückte zu den Lagern im Zentrum und links von Narunyu vor, um dort die Front zu halten und die 8   th South African Infantry abzulösen, deren Soldaten sich kaum noch auf den Beinen halten konnten. Hier begannen die völlige körperliche Erschöpfung und das Fieber, an dem ich eine Zeitlang gelitten hatte, endgültig meine letzten Reserven aufzuzehren.

162.
    Montag, 10. September 1917
    Elfriede Kuhr macht Bauernfrühstück in Schneidemühl
     
    Alle reden jetzt vom Essen, reden davon, Vorräte anzulegen. Niemand will noch so einen Winter erleben wie den letzten, den «Steckrübenwinter». In der Alten Bahnhofstraße 17 konnten sie glücklicherweise den Kartoffelkeller auffüllen (sie haben eine ganze Ladung von Herrn Kenzler gekauft), und dort liegen auch Rüben. Brot und Speisefett fehlen fast vollständig. Die Ernährung ist sehr einseitig.  27
    Elfriede hat aber viel Geschick darin entwickelt, Bauernfrühstück zu machen, ein Gericht, das sie und ihr Bruder lieben. Zuerst reibt sie die Bratpfanne mit einer alten Speckschwarte ein. Dann streut sie Salz darauf, legt in Scheiben geschnittene Kartoffeln hinein und brät sie vorsichtig an. Sie verrührt ein Ei mit Wasser, Mehl, Salz und Pfeffer und gießt alles zusammen mit etwas Zwiebel oder Schnittlauch – wenn es welchen gibt – über die Kartoffeln. Die Kunst besteht darin, so viel Wasser hinzuzugeben, dass die Masse die Kartoffeln bedeckt, aber nicht so viel, dass der Eigeschmack verlorengeht.
    Vor zwei Tagen haben sie und ihre Freundin Trude zusammen mit den Leutnants Leverenz und Waldecker einen langen Spaziergang gemacht. Es war noch sommerlich warm, und sie wanderten den ganzen Weg bis Königsblick. Leutnant Waldecker ging neben ihr, hörte ihr zu, nahm sie in den Arm, lachte über ihre Geschichten, sah sie auf eine seltsame und doch liebevolle Art an, küsste ihre Fingerspitzen, ihre Nasenspitze, ihre Stirn. Einmal drohte Leutnant Leverenz seinem Kameraden mit erhobenem Zeigefinger und sagte in neckischem Ton: «Na, na, Minderjährige!» Später küssten sich Leutnant Leverenz und Trude, immer wieder. Leutnant Waldecker begnügte sich damit, Elfriedes Hand zu halten und ihren Kopf an seine Schulter zu drücken. Sie kamen erst gegen Abend zurück, und als sie sich auf der Treppe zur Alten Bahnhofstraße verabschiedeten, flüsterte er ihr ins Ohr, dass er sie lieb habe. Er, der Leutnant Waldecker, mit seiner feinen Fliegeruniform, seiner Offiziersmütze, die er schief auf dem Kopf trug, seinen Lederhandschuhen, seinem Eisernen Kreuz, seinen blauen Augen und seinem blonden Haar. Sie war verwirrt und glücklich.
    Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, spielt sie immer noch ihre Rollenspiele mit Gretel Wagner. Am liebsten hat es Elfriede, wenn sie Leutnant von Yellenic übernimmt und Gretel die Krankenschwester Martha. Jetzt hat ihr Spiel eine neue Wendung genommen: Leutnant von Yellenic ist meistens furchtbar verliebt, entweder in irgendeine abwesende Dame oder in Krankenschwester

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