Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)
bravely singing, fly
Scarce heard amid the guns below.
Seit das Gedicht im Dezember 1915 im Punch abgedruckt wurde, ist es eins der meistzitierten geworden. Mit seiner kompromisslosen Botschaft, den Kampf fortzusetzen, wurde es unter anderem in der Kampagne verwendet, die das Ziel hatte, die USA zum Kriegseintritt zu bewegen:
We are the dead. Short days ago
We lived, felt dawn, saw sunset glow,
Loved, and were loved, and now we lie
In Flanders fields.
Take up our quarrel with the foe:
To you from falling hands we throw
The torch; be yours to hold it high.
If ye break faith with us who die
We shall not sleep, though poppies grow
In Flanders fields.
McCrae ist gestern an einer banalen Lungenentzündung gestorben. Cushing schreibt in sein Tagebuch:
Wir versammelten uns bei der 14. Allgemeinen Lazaretteinheit – an einem wunderbar sonnigen Nachmittag – und gingen die anderthalb Kilometer zum Friedhof. Eine Kompanie von North Staffords und viele Sanitäter und kanadische Krankenschwestern gingen an der Spitze der Prozession, dann Bonfire [sein Pferd], geführt von zwei Pferdeburschen und geschmückt mit den weißen Bändern des Regiments und den Reitstiefeln seines Besitzers, die nach hinten gewendet über dem Sattel hingen, dann folgten wir Übrigen. Sechs Unteroffiziere trugen den Sarg aus dem Friedhofstor, und als er ins Grab gelassen wurde, war das ferne Donnern von Geschützen zu hören – als sei es für diesen Zweck bestellt worden.
183.
Freitag, 1. Februar 1918
Elfriede Kuhrs Bruder erhält seinen Einberufungsbefehl
Es klingt nicht gerade nach einem angenehmen Erlebnis. Aufgebracht berichtet Elfriedes Bruder Willi, sie hätten sich ganz nackt in einem ausgekühlten Raum in einer Baracke aufstellen müssen. Bisher war Willi aus medizinischen Gründen vom Militärdienst freigestellt: Wasser in den Knien und Herzmuskelschwäche «durch Scharlach». Aber das ist jetzt überprüft worden. Wie alle anderen kriegführenden Armeen in Europa leidet auch die deutsche an einem akuten Mangel an Rekruten. Ein Arzt hat auf seinen Bauch gedrückt, seine Lungen abgehört und dann erklärt: «Kerngesundes Gemüse.»
Willi spottet, zischt: «So ein Laffe. Der will nur neues Kanonenfutter für Kaiser Wilhelm!» Elfriede und Willis guter Freund Hans Androwski ziehen ihn auf: «Du musst eine erhabene Erscheinung gewesen sein – nackt! Ein Muster olympischer Götterjugend!» Dann ändert sich der Gesprächston, und sie beginnen zu diskutieren, was Willi jetzt machen soll. Androwski, der wegen seiner schlechten Augen freigestellt ist, sagt, er solle, was auch immer geschieht, die Infanterie meiden. Am besten sei die Fliegertruppe, natürlich nicht hinter dem Steuerknüppel eines Flugzeugs, sondern hinter irgendeinem Schreibtisch. «Erzähl denen mal, dass du eine phantastische Handschrift hast!» Willi weist alles von sich, erwidert finster: «Preußischer Kommiss. Jetzt stecke ich drin in der Scheiße.» Elfriede sagt, das sollte ihre Mutter hören. Die Mutter glaubt immer noch an den Krieg, «und wenn du hurra! fürs Vaterland fällst, krepierst du für sie als Held».
Dann sprechen sie über den Krieg im Allgemeinen. Elfriede stellt die gleiche Frage wie so viele andere: Warum nur, warum sind alle diese Menschen gefallen? «Millionen Tote für nix und wieder nix.» Androwski widerspricht. Es sei nicht sinnlos gewesen. Zum Beispiel hätten all die gefallenen Russen durch ihren Tod den Weg für die große Umwälzung in ihrem Vaterland geebnet. Elfriede wird zornig: «Durch den Tod? Wenn das der Preis ist, will ich nicht mal ’ne Revolution!» Willi sagt nichts, er kaut nur an seinen Nägeln.
184.
Freitag, 8. Februar 1918
Olive King erklärt den Verlust ihrer Augenbrauen
Es ist Winter, aber ungewöhnlich warm. Angeblich haben einige italienische Offiziere schon versucht zu baden. Olive King wohnt nicht länger in dem kleinen Haus am Rand der niedergebrannten Stadt Saloniki. Sie ist in eine kleine Hütte umgezogen, aus einer riesigen Frachtkiste gebaut, in der einmal ein Flugzeug transportiert wurde.
Baden? Vielleicht wenn man nichts Besseres zu tun hat. Nichts Neues in Saloniki. Trotz großer Verstärkungen für die Orientarmee ist sehr wenig passiert. Kritiker der Operation – und von denen gibt es inzwischen viele – bezeichnen die befestigte Stadt als Deutschlands größtes Internierungslager. Im vergangenen Jahr wurden Versuche unternommen, die bulgarischen Linien im Norden zu durchbrechen,
Weitere Kostenlose Bücher