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Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition)

Titel: Schönheit und Schrecken: Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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sich um «Doppeldecker aus einer prähistorischen Zeit handelt, die im Krieg völlig unbrauchbar sind». Er vermutet auch, dass sie der Kampfmoral wegen hinaufgeschickt worden sind, eine reine Inszenierung – man muss ja irgendetwas tun. Es hat auch noch kein Pilot einen Zeppelin abgeschossen  24 ; noch sind sie von einer Aura der Unverwundbarkeit und Brutalität umgeben. Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass die Deutschen diese Luftschiffe einsetzen, obwohl das Luftabwehrfeuer ihnen gefährlich werden kann und sie so empfindlich sind gegen Wind und Wetter. Sie verbreiten Angst. Sie sind die erste Terrorwaffe.  25
***
    Der Zeppelin, den Coppens über dem Kanal verschwinden sieht, gehört zu einer Gruppe von drei Luftschiffen, die an diesem Abend den Südosten Englands angreifen. L7   macht einen Schwenk entlang der Küste bei Norwich, findet aber nichts, das sich anzugreifen lohnt. L5 unter Befehl von Kapitänleutnant Böcker stellt die Spitze des Angriffs dar und wirft Bomben über Henham Hall, Southwold und Lowestoft ab, doch ohne einen Treffer zu landen.
    Der einzige Zeppelin, der an diesem Abend Schaden anrichtet, ist L6 unter dem Befehl von Oberleutnant Freiherr von Butlar. Sein Luftschiff erreicht eine Gegend nordöstlich von London, aber da es bislang noch strikt verboten ist, die britische Hauptstadt anzugreifen, lässt von Butlar fünf Sprengbomben und dreißig Brandbomben über Maldon und Heybridge abwerfen. Anschließend steuert er das Luftschiff zurück übers Meer.
    Er hinterlässt ein beschädigtes Haus und ein verletztes Mädchen.

38.
    Freitag, 16. April 1915
    William Henry Dawkins schreibt im Hafen von Lemnos einen Brief an seine Mutter
     
    Endlich unterwegs. Und jetzt besteht kein Zweifel mehr über ihr Ziel: Es sind die Dardanellen. Seit Februar schon sind Gerüchte im Umlauf gewesen. Damals hatten sie die Nachricht erhalten, dass alliierte Kriegsschiffe die osmanischen Artilleriestellungen, die den Sund blockierten, angegriffen hatten, anscheinend ohne größere Wirkung, ein Angriff, der im Monat darauf wiederholt wurde – mit dem gleichen spektakulären Misserfolg.  26 Schon Ende März verschwand der Hauptteil von Dawkins’ Brigade per Schiff übers Mittelmeer zu der im nördlichen Teil des Ägäischen Meeres gelegenen Insel Lemnos. Er selbst blieb noch eine Weile im großen Lager bei Kairo. Ihm war jedoch klar, dass sich etwas Bedeutendes anbahnte. In einem früheren Brief schreibt er: «Das Gerücht besagt, dass wir Teil einer gigantischen Armee werden sollen – französisch, russisch, balkanisch [sic] und britisch – mit dem Auftrag, zunächst die Türkei zu bezwingen und dann gegen Österreich zu marschieren.»  27
    Und es ist höchste Zeit, dass etwas geschieht. Die Monate der Untätigkeit – soweit man Übung als Untätigkeit bezeichnen kann – haben an der Kampfmoral und vor allem der Disziplin gezehrt. Australier haben sich den britischen Offizieren gegenüber zunehmend respektlos gezeigt, und Soldaten aus aller Herren Länder sind in der Stadt Kairo immer zügelloser aufgetreten. Der Höhepunkt war vor zwei Wochen erreicht, am Karfreitag, als im Vergnügungsviertel Krawalle ausbrachen. Kairo gilt nicht wenigen als eine der verkommensten Städte der Welt, mit seinen Bordellen und Spielhöllen, die wiederum Zehntausende junger Soldaten anziehen, denen das Geld locker in der Tasche sitzt. Schwindende Disziplin und zunehmende Spannungen zwischen dem Militär und der Zivilbevölkerung trugen zur Eskalation bei.  28
    Am Karfreitag also begannen Hunderte von Soldaten, hauptsächlich Australier und Neuseeländer, in einer Straße des Vergnügungsviertels Amok zu laufen. Sie schlugen Bars und Bordelle kurz und klein, warfen die Einrichtung auf die Straße und steckten sie in Brand. Die lärmende und gewalttätige Menge wurde immer größer. Die Militärpolizei versuchte einzugreifen; sie wurde mit Flaschen bombardiert, erwiderte das Feuer und verletzte vier Soldaten. Herbeigerufene britische Truppen wurden einfach entwaffnet, und die Briten mussten zusehen, wie man ihre Gewehre verbrannte. Auch ein Versuch, der Krawalle mit Kavallerie Herr zu werden, misslang. Dawkins stand indes an einer Straßensperre auf Posten. Am Ende fiel der Aufruhr jedoch ganz von selbst in sich zusammen. In den Tagen darauf steckten wütende Soldaten allerdings noch eine Lagerkantine und ein Lagerkino in Brand.
    Vor gut einer Woche verließ auch Dawkins’ Einheit Ägypten – voller Erleichterung. Im

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