Schöpfung außer Kontrolle: Wie die Technik uns benutzt
sind bereit, für Geld ihre Freiheit und ihr Leben zu riskieren. Manche Menschen gehen für Geld buchstäblich über Leichen. Meme, die diesen Umstand ausnutzen können, werden kopiert - ob das der Gesellschaft gefällt oder nicht.
Solche Übeltäter-Meme, beispielsweise das Mem für die Herstellung von Kokain, stoßen durchaus auf Widerstand. Es gibt juristische Meme, die solche Handlungen unter Strafe stellen, aber auch ethische Meme, die gegen die Drogenherstellung sprechen. Doch die Übeltäter-Meme haben auch Verbündete: Rechtfertigungs-Meme, wie etwa »Wenn ich es nicht mache, macht es jemand anderes«, »Es interessiert sich ja auch niemand dafür, wie es mir geht« oder »Ich bin drogenabhängig - warum sollten andere nicht durch dieselbe Hölle gehen?«.
Das Schlimme ist, dass Übeltäter-Meme leichtes Spiel haben, sobald sie die Mauer des anfänglichen Widerstands durchbrochen haben. Wenn ein Drogenhändler erst einmal im Geschäft ist, halten ihn weder Strafandrohung noch schlechtes Gewissen von weiteren Taten ab. Im Gegenteil wird er nun versuchen, in seinem sozialen Umfeld (auch Drogenhändler haben eins) sein Verhalten im Nachhinein zu rechtfertigen, beispielsweise indem er mit dem dadurch erlangten Geld protzt. Dieses Geld kann ihm Bewunderung einbringen, was sowohl zu seiner Selbstrechtfertigung beiträgt als auch dazu führt, dass sich das Übeltäter-Mem weiter ausbreiten kann.
All das soll natürlich nicht heißen, dass Drogenhändler nichts für ihre schändlichen Taten können. Es soll lediglich zeigen, wie leicht es ist, von bösartigen Memen verlockt zu werden. Doch Meme sind, wie wir schon gesehen haben, nicht wie biologische Viren - sie können uns verführen, uns aber nicht zwingen, sie zu verbreiten. Wir haben einen freien Willen in Bezug darauf, welche Meme wir annehmen und weitergeben und welche nicht.
Der Kampf der Meme findet nicht nur im Supermarkt oder in anderen Bereichen der legalen und illegalen Wirtschaft statt. Meme finden sich in allen Bereichen menschlichen Handelns wieder - von der Erfindung von Produkten und Techniken bis zu Kunst, Politik und Religion. Gerade hier zeigt sich besonders deutlich, mit welchen Tricks Meme für ihre Weiterverbreitung und auch für ihre Stabilisierung sorgen.
2.3. Die Evolution Gottes
Meme sind Replikatoren, die dann »überleben«, wenn sie Menschen dazu bringen, sie zu kopieren und zu verbreiten. Wir haben gesehen, dass sie sich dazu unserer Instinkte und zum Teil auch unserer Körperfunktionen bedienen können. Aber der größte Teil der Meme existiert weitgehend unabhängig von körperlichen Bedürfnissen in unserem Geist beziehungsweise in Werken unseres Geistes, wie Schriftstücken, Kunstwerken oder musikalischen Partituren. Wir können die Summe aller menschlichen Meme als »Kultur« bezeichnen und ihre Entwicklung im Lauf der Zeit als »kulturelle Evolution«.
Moderne Legenden wie die »Spinne in der Yucca-Palme« offenbaren ein Grundbedürfnis des Menschen, sich mitzuteilen und interessante Geschichten zu erzählen, das bis in die Ursprünge der Menschheit zurückreicht. Man kann darüber spekulieren, dass dieses Grundbedürfnis die Quelle unserer gesamten Kultur ist, vielleicht sogar die Basis für die Entwicklung unseres modernen Gehirns und unserer Intelligenz.
Psychologen wissen, dass Sprache und Intelligenz eng miteinander verknüpft sind. Ohne Sprache könnten wir kaum lernen und hätten vor allem nicht die Möglichkeit, logische Zusammenhänge auszudrücken - auch gegenüber uns selbst. Beobachten Sie sich einmal, wenn Sie über ein kompliziertes Problem nachdenken. Ihr Geist benutzt dabei nicht nur Bilder und abstrakte Symbole, sondern vor allem Wörter. Sie führen eine Art inneren Monolog, können sich sogar selbst beim »Reden« zuhören. Wenn Träume wie Filme sind, dann sind kreative und konstruktive Gedanken wie Bücher oder Aufsätze. Umgekehrt gäbe es kaum einen Grund, ein so komplexes Gehirn zu entwickeln, wenn wir nicht sprechen könnten. Oder, wie Wilhelm von Humboldt es ausdrückte: »Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache.«
Sprache ist also ein wesentliches Element unserer Intelligenz und das wichtigste Vehikel für die Ausbreitung von Memen. Man könnte auch sagen: Wir können sprechen, damit wir Meme besser reproduzieren, mutieren und selektieren können.
Wenn Sprache das wichtigste Element ist, um Meme von einem Gehirn zum anderen zu übermitteln, dann kann man erwarten, dass auch die Sprache selbst
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