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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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erzählt. Als ich ihn dann gefragt habe, woher er so was weiß, hat er einen Hustenanfall bekommen und behauptet, sein Zug sei wegen einer Signalstörung kurz vor dem Bahnsteig stehen geblieben. Von wegen! Frauen, die sich lasziv im Fenster räkeln – das volle Programm. Da steht Brüssel Amsterdam in nichts nach.«
    »Macht es dir nichts aus, dass er sich für solche Sachen interessiert?«, wollte Lou wissen.
    »Nö, er würde nie etwas in der Richtung unternehmen ... und Neugier ist schließlich menschlich.«
    »Hmmmm, das klingt ja alles sehr ... faszinierend«, sagte sie. Natürlich entsprach das ganz und gar nicht dem Eindruck, den Penny von Brüssel mitgenommen hatte. Aber die Arme hatte auch eine Auszeit gebraucht. Ihre drei Jungs – einst so süß wie Kids in einem Cornflakes-Werbespot – waren schon zu Zeiten unserer letzten Dinnerparty vor einigen Monaten akut von den Symptomen der Pubertät bedroht gewesen. Inzwischen hatten die Hormone mit aller Macht von ihnen Besitz ergriffen. Lucien, der Älteste, hatte das Gesicht voller Piercings. Ben war am Wochenende vor Pennys Besuch im Zug zusammengeschlagen worden, und sie hatte sechs Stunden mit ihm in der Notaufnahme gesessen, bis seine Wunde endlich genäht wurde. Penny, die normalerweiseso offen über alles sprach, hielt sich erstaunlich bedeckt auf die Frage hin, weshalb jemand ausgerechnet ihren geliebten Sohn verprügelt hatte.
    Selbst der elfjährige George, das Küken, mutierte zu einem Scheusal. Vor lauter Schulstress produzierte seine früher so zarte Haut riesige Eiterbeulen, und er erinnerte damit an einen Komparsen aus Shaun of the Dead.
    Die süße Penny wollte immer alle versorgen und verwöhnen, selbst ihre aktuell so groteske Brut. Sie muss eine tolle Krankenschwester gewesen sein. Natürlich wuselte ich um sie herum, um ihr das Gefühl zu geben, ein Ehrengast zu sein, aber ich gebe zu, dass auch ich dann und wann ihrer Fürsorge erlegen bin und sie zur Abwechslung den Tee habe kochen lassen. Dann fühlte ich mich stets wie einer ihrer zufriedensten Patienten, während ich mich auf das gemütliche Sofa kuschelte und ihre Loblieder auf meine neue Heimatstadt genoss. »Ich wusste ja gar nicht, wie wunderschön es hier ist, Bella. Du Glückliche«, gurrte sie im Lauf des Wochenendes mehrmals.
    »Ich weiß. Es kommt mir fast unwirklich vor, dass wir tatsächlich hier leben. Ich denke immer noch, wir sind im Urlaub und müssen irgendwann zurück«, antwortete ich. Nun, diese Art von Dialog war mit Lou unvorstellbar. Lou konnte sich für keinen Ort erwärmen, der weiter als eine zweiminütige Taxifahrt von ihren Lieblingsplätzen in Soho entfernt lag. Das Wundervolle an Brüssel würde sie ganz gewiss nicht wahrnehmen. Trotzdem wollte ich, dass sie herkam und an unserem neuen Leben Anteil hatte.
    »Ach, Lou, komm doch. Bitte, bitte.«
    »Ichwerd mal drüber nachdenken. Offensichtlich hast du dich ja ganz gut eingelebt. Bereust du's nicht?«
    »London verlassen zu haben? Nicht die Bohne. Ich bin so glücklich hier, und auch die Kinder entwickeln sich prächtig.«
    »Hm. Und Tom? Wie gefällt's dem?«, erkundigte sich Lou beiläufig.
    »Tom? Schwer zu sagen ...« Das war es wirklich, denn ich hatte ihn nie direkt gefragt. Er war selten zum Reden da. Und ich hatte den leisen Verdacht, dass er nicht annähernd so glücklich war, wie ich das gerne wollte. In diesem Moment hörte ich einen unheilvollen dumpfen Schlag, gefolgt von Geheul, das rasch an Lautstärke zunahm. Oje, ein verunglücktes Kleinkind. »Lou, ich muss Schluss machen. Olli ist irgendwie gestürzt. Ich ruf dich bald zurück.«
    »Das passt gut – ich sehe gerade Denise und die wirkt gefährlich. Tschü-hüs.« Und weg war sie. Nachdem ich Olli aufgesammelt und seine Kriegsverletzungen gebührend versorgt hatte, verfiel ich wieder ins Grübeln. So schön es gewesen war, Penny zu sehen, so sehr vermisste ich sie jetzt. Es gab nicht viel aus meinem alten Leben, nach dem ich mich sehnte – abgesehen von den mir liebsten Menschen, die nun Leerstellen in meinem Leben hinterlassen hatten wie Kreideumrisse an einem Tatort.
    Trübsinnige Gedanken waren doch sonst gar nicht meine Art, schalt ich mich und hievte mich vom Sofa. Außerdem hatte ich hier ja auch einige zarte Freundschaftsbande geknüpft. Die musste ich lediglich stärken und pflegen. Da fiel mir mit Freude wieder ein, dass sich mir dafür heute eine ausgezeichnete Gelegenheit bot: HeuteNachmittag fand endlich Trudies Kaffeeklatsch

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