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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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Wie gut wäre er wohl damit klargekommen, wenn die Sache nicht geplatzt wäre? Hätte er sich für mich gefreut? Wäre er dazu überhaupt in der Lage gewesen? Oder war er ganz genauso gestrickt wie all die Männer, auf die Trudie mich hingewiesen hatte, die Frauen immer noch als Objekte und nicht als Menschen betrachteten? Und falls dies der Fall war, wieso waren wir dann zusammen?
    Während mir all das durch den Kopf schoss, herrschte einen Moment lang Schweigen. Tom sah mich verdattert an. »Was ist denn?«, fragte er mit großen Augen.
    »Nichts, gar nichts. Erzähl mir von dieser Story.« Ich schüttelte meine Überlegungen ab und setzte mich an den Küchentisch. Er setzte sich zu mir und schenkte mir ein warmherziges Lächeln, das mich ein wenig zum Schmelzen brachte. Ich legte ihm sogar eine Hand auf den Oberschenkel, wie ich es eine Million Mal zuvor getan hatte. Dabei sagte ich mir, dass ich bloß eine blühende Fantasie besaß. Er war doch sicher derselbe Tom, der er immer gewesen war. Über alles andere lohnte es sich nicht nachzudenken.
    »Es ist eine dieser ganz einfachen Geschichten. Perfekt.« Sein Blick schweifte in die Ferne.
    »Solange alle Fakten stimmen«, warnte ich ihn.
    »Keine Sorge. Ich bin bestimmt nicht so blöd, diesen Fehler zu begehen«, erwiderte er mit einem harten Lächeln und bewegte sein Bein, so dass meine Hand hinunterrutschte. Das hätte er sicherlich netter formulieren können. Sofort regte sich in mir wieder der Zweifel, doch ich nahm schnell einen weiteren Schluck Wein, um selbigen zu betäuben, und gab mir größte Mühe, mich auf seine Ausführungen zu konzentrieren.
    »Wie es scheint, hat der britische EU-Kommissar sich einen Schnitzer geleistet. Noch dazu ist er ja der ehemalige beste Freund des geplagten Premierministers – was der Sache eine persönliche Note verleiht.«
    »Was genau hat er denn angestellt?«, fragte ich mit gerunzelter Stirn. Bisher hatte Tom mir nicht genug erzählt, als dass es meiner Meinung nach für eine Story reichte.
    »Nun, das muss ich noch genauer erforschen. Ich habe schon ein paar Informanten organisiert, die mir die Sache erleichtern sollten.«
    »Ach ja? Wen denn?«
    »Was? Äh, ist noch Wein in der Flasche?« Ich begriff, dass Tom nichts weiter erzählen würde. Wenn er einer Geschichte auf der Spur war, konnte er unglaublich geheimnistuerisch werden – um nicht zu sagen paranoid. Vermutlich sind wir Journalisten alle so. Der Vorteil daran, mit einem Journalisten verheiratet zu sein, war, dass wir wenigstens gegenseitig unsere Arbeitsweise verstanden. Nicht im Traum wäre es mir eingefallen, Tom zu bedrängen, damit er mir seine Quellen offenlegte – denn er hätte mich ohnehin nicht eingeweiht.
    Wir tranken die Flasche aus und machten uns auf den Weg ins Bett. Der Alkohol trug eine Menge dazu bei, dass wir uns wieder versöhnten, oder vielleicht verwischteer auch nur unsere Differenzen. Als ich im Vorbeigehen noch schnell dem typisch weiblichen Reflex nachgab und mit ein paar Handgriffen den Sofatisch aufräumte, stieß ich auf meinen kleinen Bericht, dessen verknittertes Titelblatt nun den Abdruck von Toms Schuhsohle trug. Einen Augenblick lang war ich richtig niedergeschlagen. Bei der Arbeit daran hatte ich mich so nützlich und geschäftig gefühlt. Es hatte mich an meine Zeit bei den News erinnert. Doch ich musste mir immer wieder sagen, dass das nun vorbei war. Es gab ja noch viele andere Dinge außer Gutachtenschreiben, die ich konnte. Die Welt war groß, und nach all der heißen Schokolade fühlte ich mich mindestens so kugelrund. Das wiederum erinnerte mich daran, dass ich unerklärlicherweise vergessen hatte, Tom gegenüber das Cafe, Clara und die Schokolade zu erwähnen. Lag es daran, dass er mich gar nicht nach meinem Tag gefragt hatte? Oder wollte ich es ihm schlicht und einfach nicht erzählen? Egal, ich konnte es ja ein andermal nachholen. Nicht wahr?

11

    Die zuversichtliche Stimmung trug mich durch die nächsten Wochen, während wir einen neuen, angenehmen Lebensrhythmus entwickelten. Jeden Morgen sprang ich aus dem Bett und machte schnell die Kinder fertig, um früh beim Bäcker zu sein. Ich hatte nämlich herausgefunden, was alle Kontinentaleuropäer von Geburt an wissen: Ohne frische Croissants kann man einfach nicht in den Tag starten. Nicht diese braunen, verschrumpelten Dinger, die man im örtlichen Supermarkt bekommt. Nicht einmal das vornehme Zeug, das sie einem zu Hause im Coffeeshop mit der Servierzange

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