Schokoherz
statt. Als sie das Treffen zum ersten Mal erwähnt hatte, war mir das Ganze ja ein wenig suspekt gewesen. jetzt hingegen erschien es mir als die beste Idee überhaupt.
Zu Hause in Fulham hätte ich Trudie zuerst kurz angerufen, um Einzelheiten zu erfragen. Doch da wir hier nur ein paar Häuser voneinander entfernt wohnten, schien mir das reine Zeitverschwendung. Ich beschloss, einfach schnell bei ihr vorbeizuschauen und herauszufinden, ob die Einladung noch stand. Nachdem Tom sein Croissant verschmäht hatte, war ja nun eines übrig, das als Mitbringsel dienen konnte. Selbst wenn Trudie nie im Leben in Erwägung ziehen würde, es zu essen, würde Lola sich vielleicht darüber freuen. Und wenn nicht, dann waren wir jederzeit bereit, es selbst zu verputzen. Also machten wir uns sogleich auf den Weg. Als ich mit dem vollgepackten Buggyschlachtschiff den Gehweg entlangzockelte, kamen mir erste Bedenken, ob mein Plan tatsächlich so gut war.
Aus der Ferne hörte ich nämlich bereits Stimmen. Und als wir das Grundstück erreichten, entpuppten sich diese als Gebrüll – und zwar aus zwei verschiedenen Lungen, die beide beste Kondition zu besitzen schienen. Bisher waren meine Kinder niemals wirklichem Geschrei ausgesetzt gewesen. Nicht, dass Tom und ich uns nie streiten würden, doch in jüngster Vergangenheit waren wir selten lange genug zur selben Zeit am selben Ort gewesen, um einen anständigen Streit vom Zaun zu brechen. Jedenfalls bemühten wir uns generell darum, uns nicht vor unseren kleinen Zeugen an die Gurgel zu gehen.
Ich fragte mich, wo Lola wohl war und, noch vieldringlicher, ob ich umdrehen und das Weite suchen sollte. Da erblickte ich durch die große Fensterfront seitlich am Haus Trudie. Sie schlug mit einer aufgerollten Zeitschrift nach Gesicht und Brust eines Mannes. Nach dem bunten Cover zu urteilen, handelte es sich vermutlich um Hello!. Aua. Sich von Victoria Beckhams Dekolleté in Hochglanz-Großaufnahmen verhauen zu lassen musste ganz schön weh tun. Wenn auch vermutlich nicht vergleichbar mit den Qualen, die das arme Ex-Spicegirl hatte auf sich nehmen müssen, um diesen Salzstange-mit-zwei-aufgeklebtenunreifen-Tomaten-Look überhaupt zu erzielen.
Der Mann versuchte, Trudie so gut es ging abzuwehren, und schien sich dabei Richtung Haustür zurückzuziehen. In der Tat – in diesem Moment flog die Tür auf, und unter weiteren Prügeln mit dem Zeitschriftenknüppel wurde er auf den Gartenweg gestoßen, wo er rückwärts in Maddie und Olli hineinstolperte, die das Ganze vom Buggy aus mit großem Interesse verfolgten.
»Oh, äh, hallo«, stotterte ich. Trotz der alles andere als günstigen Umstände war ich fasziniert davon, Trudies bessere Hälfte kennenzulernen. Ich hatte mich schon gefragt, wie dieser Mann wohl aussah, wobei ich mir anfangs eher einen Typen in Stollenturnschuhen, Shorts und einem T-Shirt mit großer aufgedruckter Nummer vorgestellt hatte. Inzwischen war ich mir allerdings sicher, dass mehr hinter Trudies Fußballergattinnen-Image steckte, als sie zugeben wollte. Dieses Exemplar hier war jedenfalls definitiv kein Fußballer – es handelte sich um einen Anzugträger wie aus dem Bilderbuch: attraktiv, groß, blond und, zumindest im Moment, ziemlich genervt. Er warf mir einen grimmigen Blick zu, strichsich das Jackett glatt, ignorierte meine glucksenden Kinder und schritt dann so würdevoll wie möglich den Weg hinunter zur Straße.
»Und das ist noch so ein Punkt«, brüllte Trudie ihm von der Türschwelle aus hinterher. »Du begrüßt nicht mal meine Freundinnen!«
Ich bemühte mich, ein Kichern zu unterdrücken, während der arme Mann, so schnell er konnte, das Weite suchte.
»Hereinspaziert«, begrüßte mich Trudie. Ein breites Lächeln war an die Stelle der wütenden Grimasse getreten, so wie auf Regen Sonnenschein folgte.
»Worum zum Henker ging es da grade?«, fragte ich.
»Ach, das Übliche. Er schenkt mir nicht genug Beachtung. Ab und zu muss man ein bisschen Dampf ablassen, findest du nicht? Nur damit sie wissen, woran sie sind.« Trudie klang, als würde ihr keine Frau der Welt widersprechen können. Ich starrte sie verwundert an.
»Also hat er gar nichts Schlimmes angestellt? Ich dachte, ihr trennt euch oder so was?« Um sicherzugehen, dass die Kinder mich nicht hörten, senkte ich meine Stimme zu einem Flüstern.
»Uns trennen? Du machst wohl Witze. Heute Abend wird er auf Knien angekrochen kommen. Mit Blumen, vielleicht Schmuck, und es wird sein wie ganz am
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