Schokoherz
machen? Sie? Dieses Kind da? Nein, ich glaube nicht. Es braucht Zeit, es braucht Erfahrung, es braucht das Know-how ...«
Vermutlich hätte Clara mit dieser Leier locker ein paar Stunden weitermachen können, also unterbrach ich sie mit meinem Killervorschlag:
»Clara, Sie können nicht alles machen. Sie brauchen jemanden, der sich für Sie um den Laden kümmert. Während Sie sich auf das konzentrieren, was Sie so gut konnen.«
»Aber was soll das? Ich kann den Laden gut führen«, protestierte sie und erhob sie halb, als die Ladenglocke eine neue Kundin ankündigte: eine zierliche ältere Dame mit teurer Handtasche, die einige vorsichtige Schritte ins Geschäft hinein tat, dann jedoch einen Blick auf Claras entschlossen feindselige Miene erhaschte und sich hastig wieder zurückzog. »Es kommen bloß immer diese dumme Leute dazwischen«, schloss Clara.
»Nun, warum kümmere ich mich dann nicht um diese dummen Leute. Und Sie machen so lange die Pralinen«, sagte ich. Olli sah mich an, Maddie sah mich an, und auch Clara starrte mich mit beängstigend intensivemBlick an.
»Was denn?« Ich zuckte mit den Schultern.
»Das macht doch Sinn.«
»Aber Sie haben diese zwei Kinder. Wie können Sie mir helfen, wenn die beiden hier sind? Und was wissen Sie überhaupt über Geschäfte? Haben Sie je in einem gearbeitet? Sie haben doch keine Ahnung von den Abläufen. Wissen Sie, wie die Kasse funktioniert? Sie kennen ja noch nicht mal das Geld hier.« Claras Augen verengten sich zu Schlitzen, denn sie wusste, da mit hatte sie mich erwischt. Bei den ersten paar Besuchen hatte sie für mich die Münzen heraussuchen müssen, die ich ihr schuldete, während ich versuchte, mich von Pfund auf Euro umzustellen.
»Wissen Sie, Clara, das sind unwichtige Kleinigkeiten. « Ich breitete die Arme aus und warf da bei beinahe eine Schachtel Trüffel vom Regal. »Das ist alles lernbar. Selbst wenn ich vor her noch nie in einem Laden gearbeitet habe, die Leute mögen mich. Sie wer den bei mir einkaufen. Warten Sie’s nur mal ab.«
In diesem Moment klingelte praktischerweie die Ladenglocke. Bevor Clara die Gelegenheit hatte, einen potentiellen Kunden zu vergraulen, sprang ich auf und verdeckte ihre Fratze mit meinem Oberkörper. Dann näherte ich mich der Frau mittleren Alters mit einem freundlichen Lächeln. Wenig später hatte ich mich hinter die Ladentheke gequetscht und eine von Claras wunderschönen, glänzenden violetten Schachteln, deren Deckel gewölbt waren wie Schatztruhen, mit der gewünschten Auswahl frisch zubereiteter Pralinen gefüllt, während Clara drüben am Tisch mürrisch vor sich hinbrummte.
Unddie Kinder? Nein, die war ich natürlich nicht plötzlich losgeworden. Die beiden spielten höchst zufrieden auf dem Boden neben der Theke mit einigen leeren Schachteln und Bändern. Wenn ich erst Gelegenheit hätte, eine Art kleine Spielecke für Oliver, Maddie und die Kinder der Kundschaft einzurichten, würden sie sich hier jeden Nachmittag vergnügen können. Woran sollte es ihnen auch fehlen? Der Geruch von Milch, Schokolade und anderen Leckereien würde selbst das quengeligste Baby beruhigen, und Maddie hätte zum Glück nicht genügsamer sein können. Olli wiederum, mit seiner offenen, kontaktfreudigen Art, würde bestimmt gerne mein inoffizieller Empfangschef sein, der die Gäste zu ihren Tischen begleitete und sein Bestes gab, ihre Bestellung aufzunehmen. Ich würde sie in keiner Schule abgeben müssen, sie konnten erst einmal bei ihrer Mummy bleiben, die sie doch gerade erst frisch von der Arbeitswelt zurückgewonnen hatten. Kurz, es war schlicht und einfach die perfekte Lösung für all unsere Probleme.
Einstweilen erfüllte ich die Sonderwünsche der Kundin mit einem Lächeln statt mit Claras üblichem Knurren, wodurch ihre ursprünglich magere Bestellung auf drei ballotins, oder Schachteln, voller Pralinen und eine Tüte Florentiner anwuchs. Nachdem sie den Laden verlassen hatte, ging ich zurück zum Tisch. Claras Widerstand war so gut wie gebrochen. Sie funkelte mich an.
»Ich kann Ihnen aber nicht viel zahlen. Schließlich wissen Sie nichts.« Das war Claras Art, ihre vollkommene Niederlage einzugestehen. Ich freute mich wie ein Schneekönig – zeigte das jedoch wohlweislich nicht. Stattdessen setzte ich eine entsprechend ernsteMiene auf und bezwang meine innere Salsa-Königin, die in Gedanken hüftkreisend vor Freude durch den Laden tanzte.
»Mir ist natürlich klar, dass Sie mir kein Vermögen zahlen
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