Schokoherz
zumal ich stinkwütend war. Mein Blut wusste einfach nicht, in welche Richtung es als Nächstes fließen sollte: hinauf in mein Hirn, um meine Argumente gegen Tom zu verbessern, oder viel weiter nach unten, zu ganz anderen Zwecken. Alles schien sich irgendwo in der Mitte zu verfangen, wo mein Bauch plötzlich ein lautes, wenig verführerisches Gurgeln von sich gab. War mir das peinlich! Fabrice jedoch ließ sich davon nicht beirren, sondern legte mir seine große, warme Hand auf den Bauch.
»Sie sind hungrig?«, fragte er und sah mich dabei durchdringend an. Ich war mir nicht sicher, ob er vom Essen sprach. Meine Haut glühte an der Stelle, wo er mich sanft berührte. Der Körperkontakt war so unerwartet, dass ich gar nicht genau sagen konnte, ob ich ihn als angenehm empfand. Da spreizte Fabrice seine Finger liebevoll auf meinem gerundeten Bauch. Für einen praktisch Fremden war das eine seltsam intime Geste, und auch wenn ich heftig mit ihm geflirtet hatte, war ich dafür einfach nicht bereit. Nervös schnappte ich mir den Holzlöffel vom Herd und wandte mich entschieden meinen carbonades zu, wodurch ich mich seiner Handentzog. Ich lüftete den Topfdeckel, und wir schnupperten beide genüsslich.
»Ahh, also Sie können auch noch kochen, Sie sind eine Frau der Wunder«, seufzte er dicht hinter mir, doch er hielt sich mit Körperkontakt zurück. Nach Vanessas kleiner Enthüllung hätte mich kein Lob besser besänftigen können, und ich war froh, dass er den Wink verstanden hatte und seine Hände bei sich behielt. Mit einem erfreuten kleinen Lachen packte ich die Kasserolle und kehrte, mit Fabrice im Schlepptau, der, wenn mich nicht alles täuschte, sehnsüchtig auf meinen Hintern schaute, zurück ins Esszimmer. Die kleine Episode hatte mich meinen Ärger von eben fast vergessen lassen. Doch als ich das Zimmer betrat, wurde es plötzlich still, und das widerliche Vanessa-Wesen rückte einen Zentimeter von Tom ab. Ich ignorierte die beiden einfach und verteilte mit Fabrice als ungewöhnlich willigem Helfer leckere Portionen carbonades, die durch das pair d'pics wunderbar nach Zimt und Nelken dufteten. Ich stellte überrascht fest, dass das Brot sich in der kräftigen Soße völlig aufgelöst hatte, während die Fleischstücke so zart waren, dass man sie hätte löffeln können. Während ich die Runde machte, folgte mir Fabrice und berührte mich dann und wann sanft mit seinem festen Oberschenkel. Es bestand kein Zweifel daran, dass er schamlos mit mir flirtete. Zum Glück schien sich Fabrices Frau sehr für Simon Blairs Geschichten zu interessieren. Entweder hatte sie noch nie einen Erzähler seines Kalibers getroffen oder sie war schon so an Fabrices Spielchen gewöhnt, dass sie lieber nicht hinsah. Heimlich beobachtete ich Tom, der – das Kinn in die Hand gestützt – Vanessa betrachtete, und fragte mich ernsthaft, ob ich diese Strategie nicht auch besser selbst anwandte.
Ichhatte schon immer gewusst, dass Tom eine Schwäche für schöne Frauen hatte. Schließlich hatte er sich mich ausgesucht, nicht wahr? Und in den zehn Jahren davor hatte er zahllose Freundinnen und drei je zweijährige Beziehungen gehabt, die zerbrochen waren – aus keinem besonderen Grund, wie er mir versicherte. Ich hatte nie eine seiner Exfreundinnen getroffen – Jo zählte nicht –, aber seine Kumpels aus Schulzeiten kannten sie natürlich. Als es mit uns ernst zu werden schien, hatte ich Penny geradeheraus gefragt, ob Tom irgendwelche Leichen im Keller hatte. Exfrauen, Kuckuckskinder, Dinge dieser Art. Definitiv nicht, hatte sie mir versichert, doch mache er attraktiven weiblichen Wesen gern schöne Augen. Heute Abend schien das Prinzip Auge um Auge zu gelten, denn Vanessa war offenbar genauso hin und weg wie er.
Auf seltsame Weise – grotesk, denken Sie vielleicht – war ich erleichtert. Die Wut und Eifersucht, die ich spürte, bedeuteten schließlich, dass Tom mir immer noch wichtig war. Wegen meiner ständigen Fabrice-Träume hatte ich mich schon gefragt, ob alles aus war. Doch während Tom versuchte, Vanessa mit dem Löffel zu vernaschen, hatte ich die perfekte Gelegenheit zur Rache: Mein eigenes Lustobjekt, den hinreißenden Fabrice. Er schien bereit und willig zu flirten, und seine Frau machte auch keinen Ärger. In diesem Moment bat mich Claire McCormick um Kartoffeln, und ich reichte ihr die Schüssel rasch weiter, wobei ich ihren neugierigen Blick registrierte. Ich würde hier ganz sicher keine Szene machen. Nein, ich
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