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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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würde meinen Hirt mit Fabrice so harmlos wie möglich halten und Tom nicht offen bekriegen. Das konnten wir später noch tun. ImAugenblick waren die Gäste wichtiger – sie kennenzulernen, ihnen einen schönen Abend zu bereiten und ihnen vor allem nicht den Eindruck zu vermitteln, dass unsere Ehe demnächst in die Brüche ging. Das war meine ehrliche Absicht. Doch sie wurde zunehmend schwieriger umzusetzen, während sich das Gespräch immer mehr um die EU drehte und deutlich wurde, dass sich von den neun Leuten am Tisch lediglich zwei einen feuchten Kehricht um die Details der Europapolitik scherten. Fabrice und ich natürlich. Alle anderen, inklusive seiner Frau, die sich als hohes Tier im Handelsrat entpuppte, waren wild darauf, alle Nuancen jedes neusten Beschlusses zu diskutieren, als sei das alles so spannend wie eine Seifenoper.
    Es war nicht so, dass ich nicht kapiert hätte, worum es ging. In der Theorie kannte ich die Grundzüge der Politik und wusste, weshalb Großbritannien kräftig mitmischen sollte. Es schien mir nur alles wenig mit den wirklich wichtigen Dingen des Lebens zu tun zu haben. Ich gestehe, dass ich einen guten Teil des Gesprächs einfach an meinem Ohr vorbeiziehen ließ und mich stattdessen näher und näher zu Fabrice hinüberbeugte, der mir von den Spezialitäten der belgischen Küche erzählte, mit denen er aufgewachsen war.
    In vielerlei Hinsicht schienen sich Europapolitik und die belgische Küche zu ähneln. Es war alles eine Frage des Kompromisses, der geographischen Nähe und des gesunden Menschenverstands. Belgien, mit seiner Lage so ziemlich im Zentrum Europas, hatte die besten Gerichte seiner Nachbarn Frankreich, Deutschland und Holland übernommen und abgewandelt, wodurch wie so oft etwas noch Besseres als das Original entstanden war.
    Sowurden zum Beispiel Soßen, die in Frankreich heilig waren, seit sie L'Escoffier das erste Mal zusammengerührt hatte, in Belgien viel leichter, frischer und verspielter gekocht. Deutsche Kartoffeln wurden knuspriger interpretiert, holländische Muscheln sorgfältig bewertet und ausgewählt, so dass es nur die fleischigsten in die belgischen Geschäfte schafften. Belgien entsprach auf Nahrungsmittelebene genau dem, wofür die EU stand: das Beste von allem auszuwählen und dann zu versuchen, es noch zu verbessern. Es war ganz schön berauschend, meine Ohren von Fabrices Erzählungen von anguilles au vert und chicons a la flamande umschmeicheln zu lassen, doch hin und wieder riss ich mich los und hörte, wie die anderen Tom mit irgendeiner superheißen Story aufzogen, an der er arbeitete.
    Simon Blair begann damit. »Und, wann taucht sie am Zeitungskiosk auf, diese tolle Story, die du da im Ärmel hast?«
    »Was? Worum geht's?«, fragte Tom und riss seinen Blick von Vanessas großen blauen Augen los.
    »Ja, verrat uns das mal, Tom – vorzugsweise, bevor du sie veröffentlichst. Oder müssen wir darum betteln?«, neckte Simon ihn lachend.
    »Wirklich, Leute, ich hab da nichts im Ärmel. Ich finde es weiß Gott schwierig genug, mich hier zurechtzufinden«, entgegnete Tom, meiner Meinung nach nicht sehr überzeugend. Ich fragte mich, woran er wohl arbeitete. Normalerweise war ich seine erste Testperson.
    Zugegeben, er hatte vor einiger Zeit mal etwas über den britischen EU-Kommissar erzählt, doch dann war er schnell verstummt. Ich hatte angenommen, dass die Geschichte einfach auf zu wackeligen Beinen stand. Nunfragte ich mich, warum er alles für sich behalten hatte. Aus Rache, weil ich ihn in der Jane-Champion-Sache im Dunkeln gelassen hatte? Aber das war doch völlig nach hinten losgegangen. Er müsste eigentlich begriffen haben, dass es besser war, miteinander zu reden. Wenn ich damals mehr von dem, was ich plante, mit ihm abgesprochen hätte, hätte er mich vielleicht auf einige Fallstricke aufmerksam machen können. Ich weigerte mich jedoch, über diesen ganzen Käse nachzugrübeln, während ich einen so netten Abend genoss. Ich wandte mich gerade wieder Fabrice zu, um ihn zu den belgischen Variationen von creme brûlée zu befragen, als Vanessa sich plötzlich zu Wort meldete.
    »Ihr werdet alle ganz schön mit den Ohren schlackern, wenn Tom und ich diese Geschichte rausbringen«, versicherte sie Simon.
    »Ein ganz dicker Fisch also?« Amy lachte schnaubend.
    »Aber hallo. Ihr werdet nicht glauben, was Tim Radisson sich geleistet hat«, erwiderte Vanessa und brachte damit den Namen des britischen EU-Kommissars ins Spiel. Genauso gut hätte

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