Schokoherz
den Laden inzwischen. Wir haben dort auch eine zauberhafte Kinderecke, halb Vorschule, halb Krippe, so dass man den Nachwuchs parken und selber in Ruhe eine heiße Schokolade trinken kann. Ich bin jeden Nachmittag zwischen zwölf und halb sechs Uhr dort. Wer möchte denn gerne mal etwas aus unserem Sortiment probieren? Ich habe extra einige unserer chocolat chaud-Stäbe mit nach Hause gebracht. Aber ja, wir haben auch Kaffee für alle Langweiler«, verkündete ich und funkelte Tom dabei an. Er warf die Serviette auf den Tisch und stand auf.
»Also ich brauche etwas Stärkeres. Wer mag einen Whisky? Brandy? Fabrice?« Er bemühte sich offensichtlich zu verbergen, dass er mich am liebsten auf der Stelle erdrosselt hätte.
Fabrice, Simon und David ließen sich überreden, während ich vier heiße Schokoladen für die Frauen zubereitete und diese ins Wohnzimmer zum Kamin trug. Wider alle Erwartungen hatte unser kleiner Zwist scheinbar reinen Tisch gemacht, und nun wirkten alle wieder hochzufrieden. Entweder das, oder der Alkohol tat seine Wirkung. Jedenfalls gab es nun zwischen Tom und mir keine Geheimnisse mehr. Er wusste, dass ich gegen seinen ausdrücklichen Wunsch in der Chocolaterie arbeitete. Und ich wusste, dass er sich die hübscheste Assistentin genommen hatte, die mir seit langembegegnet war, und mit ihr in einem winzigen Büro arbeitete, ohne auch nur ein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren. In Kombination mit der heißen Story, an der die beiden anscheinend dran waren, ohne dass die anderen Korrespondenten hier in Brüssel etwas davon wussten, ergab das doch eine ziemlich informative Dinnerparty. Ich hatte zumindest das Gefühl, über Tom heute Abend besser Bescheid zu wissen als noch am Morgen. Dafür kannte ich allerdings auch Fabrice um einiges besser.
16
Am Sonntag herrschte ein unbehaglicher Waffenstillstand. Ich erwähnte Vanessa nicht, und Tom verlor kein Wort über Fabrice. Dabei war ich mir nicht einmal sicher, ob er die übertriebenen Aufmerksamkeiten des Belgiers überhaupt registriert hatte. Mir jedoch war jedes theatralische Zurückwerfen von Vanessas blonder Mähne schrecklich bewusst.
Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass wir den ganzen Tag um unsere neuen Tabuthemen herumschlichen. Die Kinder und ich machten am Nachmittag einen langen Erkundungsspaziergang, um herauszufinden, ob belgische Enten genauso gierig waren wie englische. Tom betonte, er müsse an seiner Geschichte dranbleiben, die offenbar mehr Zuwendung brauchte als jedes Kind. Wir überließen ihn seinen Papierstapeln, seinem Handy und seinem Laptop. Erst bei Einbruch der Nacht kehrten wir zurück, nachdem endgültig erwiesen war, dass Enten nirgendwo in Europa wirklich quaken und Gänse immer kanadisch sind. Tom war am Telefon und wirkte ausgesprochen fröhlich. Sobald er uns entdeckte, verschwand sein Lächeln, und er streckte den Hörer von sich weg, als sei er glühend heiß.
»Lou ist dran. Sie hat gerade erst angerufen.Ich wollte nur wissen, ob ich dir was ausrichten kann ...«, sagte er und schnappte sich die überraschte Madeleine aus meinem Arm, während er mir das Telefon reichte.
»Lou, wie nett. Wie geht's dir?« Ich musste mir mit einer Hand das Ohr zuhalten, da Maddie anfing zu brüllen. Tom schwang sie herum, und Olli verlangte lautstark, mit einbezogen zu werden. Vielleicht hatte der Nachmittag ja seinen Zweck erfüllt und Tom gezeigt, dass es ab und zu eigentlich ganz nett war, mit den eigenen Kindern zu spielen. Ich schloss die Tür und zog mich in meine friedliche Küche zurück, wo benutzte Teller und kleine Krümelberge davon zeugten, dass Tom während unserer Abwesenheit keinen Hungertod riskiert hatte.
»Wir wollen vorbeikommen, Pete und ich. Wann würde es denn passen?«, trällerte Lou. Ihr vornehmer Akzent ließ die Vokale wie eine Reihe Glöckchen klingen.
»Wow! Super. Kommt morgen! Bleibt einen Monat!«
»Morgen? Bist du sicher?«
»Lou, kommt einfach rüber, es ist so toll hier. Ich kann es gar nicht erwarten, euch alles zu zeigen. Ihr werdet begeistert sein. Und wir haben jede Menge Platz für euch beide ...«, sagte ich und überlegte fieberhaft, wo wir Pete unterbringen konnten. Lou im Gästezimmer war kein Problem. Vielleicht konnte Pete ja hier unten auf dem Sofa schlafen?
»Oh, wir können nicht bleiben. Wir kommen in einer Woche, und nur zum Mittagessen. Niemals würde Denise uns beide für zwei ganze Tage gehen lassen – komm schon, du kannst doch den Affenstall hier nicht
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