Schokoherz
vergessen haben. Aber wir dachten, du könntest uns vielleicht am Bahnhof abholen und dann irgendwohin entführen.Dann könnten wir endlich mal wieder richtig quatschen.«
»Ich kann's kaum erwarten – bist du an einer Geschichte dran? Worum geht's?«
»So was Ähnliches. Ich glaube, es ist eine von Petes verrückten Verschwörungstheorien. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht viel darüber. Jedenfalls hat er Denise davon überzeugt, dass wir beide unbedingt nach Brüssel fahren und uns mit irgendeinem irren britischen Parlamentarier treffen müssen, der Verbindungen zu jemandem hat, der jemanden kennt, der 1997 in Paris vielleicht in der Nähe jenes Tunnels war.«
»O Gott, nicht schon wieder Prinzessin Diana?«
»Leider doch. Aber es ist eine wunderbare Ausrede, um dich zu besuchen. Pete trifft den Parlamentsfuzzi, aber der Freund des Parlamentsfuzzis spricht nur Französisch. Da komme ich dann ins Spiel.«
»Aber du kannst kein Wort Französisch!«
»Ja, ich weiß das, Bella, aber Denise nicht. Also dann bis nächste Woche.«
»Hurra! Hör zu, ich reservier uns einen schönen Tisch in der Nähe des Parlaments, damit ihr der Story ein bisschen Lokalkolorit geben könnt und es so aussieht, als hättest du tatsächlich zur Abwechslung mal was geschrieben. Am besten, wir treffen uns dort. Ich schick dir die Adresse per SMS. Bis nächste Woche dann!«
Ich hüpfte zu Tom hinein, um ihm von unseren Plänen für nächste Woche zu berichten und ihm ein paar Vorschläge für mögliche Restaurants zu entlocken. Tom lauschte mit zur Seite geneigtem Kopf und unterbrach dann trocken meinen Redeschwall:
»Vergisstdu da nicht eine Kleinigkeit?«
»Was denn?«
»Deinen neuen Job? Eine Verkäuferin kann doch sicher nicht einfach einen Tag freinehmen, wann immer ihr danach ist?« Mit einem sarkastischen Lächeln
drückte Tom mir die Kinder in die Arme. »Ich glaube,
sie haben Hunger«, sagte er, schüttelte seine Ausgabe des
Observer zurecht und verschwand hinter der Zeitung.
Die Spielzeit schien vorbei zu sein.
Ich machte mich automatisch daran, die Kinder mit
Abendessen zu versorgen und mir selbst einzureden,
dass es Clara gewiss nichts ausmachen würde, mir ab
und zu einen Nachmittag freizugeben. Schließlich bezahlte sie mich ja auch nicht richtig, oder?
Als ich am nächsten Vormittag mit dem Schlachtschiffbuggy bei Claras Café ankam, war ich bereits ein wenig
niedergeschlagen. Ich hatte morgens in der Hoffnung
auf einen kleinen Flirt mit Fabrice jede Menge Make-up aufgetragen und mich für meineVerhältnisse enorm
herausgeputzt, bevor ich zur Bäckerei ging. Doch zu
meiner großen Enttäuschung wurde er bei meinem Eintreffen mit den Kindern bereits bedient und spazierte
mit nichts weiter als einem breiten Lächeln in meine
Richtung an uns vorbei keinerlei Hinweise auf den
intensiven Flirt vom Abend zuvor. Was für eine Enttäuschung. Nach all den schmachtenden Blicken, den heißen Kohlgesprächen und der entschlossenen Gleichgültigkeit seiner Frau hatte ich mit mindestens drei
Wangenküssen gerechnet. Ich hatte mich sogar mehr
oder weniger fest darauf verlassen. Ausnahmsweise schienen zwei
croissants aux amandes
kein sehr befriedigender
Ausgleich.
Mitden Kindern im Schlepptau verließ ich die Bäckerei, wobei die kalorienreiche Tüte vorn Buggygriff baumelte. Auf einmal wurde ich mir der Breite meiner Hüften bewusst, die im Rhythmus des Doppelbuggys hin und her wiegten und erschreckenderweise fast genau so breit waren. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob ein bisschen Power-Walking mit Jo Pounce vielleicht doch keine so schlechte Idee gewesen wäre. Doch kaum hatte ich den Nachhauseweg eingeschlagen, als weiche Lippen zart mein Ohr streiften. Ich machte vor Schreck einen Riesensatz. Es war Fabrice. Er hatte draußen auf uns gewartet.
Er trug einen dieser wunderbaren, perfekt geschnittenen Trenchcoats, in denen die Männer hier auf dem Kontinent gerne herumspazierten. Steck einen englischen. Kerl in so was und man denkt sofort an Landstreicher, billigen Fusel und dreckige Fingernägel. Nicht so bei Fabrice. Er sah fantastisch aus. Sofort schlich sich ein schelmisches Lächeln auf meine Lippen und spiegelte das seine.
»Wohin des Wegs, verehrte Dame?«, fragte er. Mit dir ins Bett, und zwar sofort, säuselte der Großteil meines Hirns. Doch jener Bruchteil davon, der immer noch eine hingebungsvolle Mutter war, meldete sich zu Wort: »In den Park?«
»Mit dem größten Vergnügen«,
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