Schokoherz
genau hatte dieser Politiker eigentlich angeblich getan?
Das schien zu diesem Zeitpunkt selbst der Fernsehberichterstattung nicht ganz klar zu sein. Ich sah einen verwirrenden Mix von Bildern – ein Flugzeug auf der Landebahn – ah, stimmt, Vanessa hatte etwas von einem gecharterten Flugzeug erzählt – und dann ein riesiges Fußballstadion, das sich den Untertiteln zufolge in Barcelona befand. Ich konnte allerdings kein Wort verstehen, weil die Kinder in der Küche inzwischen lautstark nach ihrem Nachtisch verlangten.
Einer der Gründe, weshalb sie so laut brüllten – denn normalerweise sind sie so außergewöhnlich zivilisiert, müssen Sie wissen – war der köstliche Duft, der aus dem Backofen strömte. Schon bei unserer Heimkehr hatte das Haus gut gerochen, aber jetzt würde man sich am liebsten mit einem Löffel drüber hermachen. Der Grund war ein ganz simpler: tarte au stiere. Das Rezept hatte ich zufällig auf einer Packung Fertigteig gefunden. Es dauerte nur Sekunden, den Teig in eine Quicheform zu drücken, rundherum mit einer Gabel einzustechen und mit 200 Gramm leckerem cassonade oder braunem Rohrzucker zu bestreuen. Darauf kamen dann zwei verquirlte Eier, 100 Milliliter Sahne und ein großzügiger Löffel Zimt. Zwanzig Minuten bei mittlerer Hitze, und die Kinder waren im Himmel. Schon klar, dass es dieses Rezept nie in irgendwelche Diätbücher schaffen würde, aber bei Gott, es schmeckte gut.
Die tarte au surre war jedenfalls eine todsichere Methode, die Kinder bei Laune zu halten, während ich mehr über Toms Story herausfand. Ich konnte einfachnicht warten, bis sie im Bett waren. Ich brauchte Details. Also schaltete ich erneut BBC World ein, doch da ging es inzwischen wieder um die aktuellen Kriege. Ein schneller Blick auf CNN brachte mich auch nicht weiter. Jetzt wollte ich wirklich wissen, was genau los war. Nach kurzem Nachdenken wählte ich Petes Nummer. Bis zu unserem Mittagessen im europäischen Distrikt hatte ich nie auch nur eine Sekunde gezögert, bevor ich Pete anrief, und mir auch nie ernsthafte Gedanken über unsere Beziehung gemacht. Vielleicht war mir deshalb entgangen, dass er mich ein bisschen zu gern hatte. Nun war ich ziemlich nervös, denn schließlich. wollte ich ihm keine falschen Signale schicken. Oder vielleicht doch? Bei Fabrice hatte ich mich schließlich auch nicht gescheut und genoss nach wie vor ab und zu einen kleinen Hirt in der Bäckerei. Doch aus irgendeinem Grund schien die Geschichte mit Fabrice wie eine Art Spiel, während ich bei Pete das Gefühl hatte, die Lage sei ernster.
Er nahm bereits beim ersten Klingeln ab. Hoffentlich hieß das nicht, dass er in Erwartung eines Anrufs von mir neben dem Telefon gesessen hatte.
»Bella, mein Schatz. Ich muss dir so viel erzählen ...«
»Ja, ich weiß. Worum geht's in dieser Sache mit dem Kommissar? Was genau hat er verbrochen? Keiner scheint es wirklich auszusprechen ...«
»Ach, du willst etwas über den Skandal wissen?«
»Ja, natürlich ...«
»Oh. Na gut.« Pete schien sich zusammenzureißen, bevor er fortfuhr. »Nun, leider ist das Ganze ziemlich kompliziert, wie meistens bei diesen EU-Geschichten.«
»Stattkompliziert könnte man auch langweilig sagen, oder?«
»Nein, nicht in diesem Fall. Pass auf, es ist Folgen des passiert: Der Kommissar –«
»Tim Radisson, richtig?«
»Ja, genau der. Offenbar hat er ein Flugzeug gechartert, um zu einer Konferenz zu fliegen.«
»Und weiter …?«
»Nichts weiter. Das war’s. Und das ist schlimm genug.
Das hat Tausende an Steuergeldern gekostet.«
»Hm. Ich dachte, da ginge es noch um etwas anderes. Sex oder so.«
»Mhm, Sex. Nein. Hör zu, Bella …« O nein, was hatte ich getan? Warum musste ich Pete gegen über ausgerechnet Sex erwähnen? Nach seiner Liebeserklärung von neulich musste das wie eine Ermutigung wirken …
»Danke, Pete. Vielen Dank, dass du mich aufgeklärt hast, ich meine, mir so befriedigend Auskunft gegeben hast … äh …« Ich geriet ins Stocken, da mir an scheinend nur noch zweideutige Formulierungen ein fielen.
Ich hörte ihn seufzen.
»Schau, Bella, das, was ich da neulich beim Essen gesagt habe …«
Ich dachte fieberhaft nach. Ich musste ihn ablenken! Da fiel mir zum Glück etwas ein: »Ja, genau, was sollte denn das mit meiner Gesundheit? Du weißt schon, der schokoladenfreie Tag?«, bohrte ich. Der arme Pete stieß einen Seufzer der ganz an deren Art aus.
»Lou hat mir erzählt, was der Arzt zu dir gesagt hat.
Dass du
Weitere Kostenlose Bücher