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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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die sich noch für Nachrichten aus der Heimat interessierten. Ausländische Zeitungen kosteten hier ein Vermögen – vier Euro das Stück – aber das war wohl kaum der Grund. Geld war für die meisten von uns gut betuchten Ausländern kein großes Thema. Ich befürchtete, dass eine Menge der Mütter bloß vor sich hin dümpelten und sich weder in Bezug auf Belgien noch auf ihr Heimatland auf dem Laufenden hielten. Leider bestand akute Gefahr, dass ich trotz meiner Journalistenlaufbahn eine von ihnen wurde.
    Rachel flüsterte mir ein leises »Tschüs« zu, während sie den schlafenden Stanley in seinem Autositz nach draußen hievte. Ich winkte ihr hinterher. Dann raffte ich mich ebenfalls auf, räumte zusammen, stellte die letzten Tassen in die Spülmaschine und schaltete sie ein. Dann hämmerte ich an Claras Tür und rief ihr einen Abschiedsgruß zu – gegen Ende des Arbeitstages wurde sie immer recht unkommunikativ, was mir heute sehr gelegen kam. Schließlich schnappte ich mir meine Kinder und packte sie in den Buggy. Heute hatte ich gerade noch den richtigen Moment erwischt, ehe ihre Zufriedenheit nach einem Nachmittag mit Spielkameraden in knatschigeMüdigkeit und Heimweh umschlug. Bevor ich die Tür klappernd hinter uns zuzog, drehte ich das Schild von ouvert auf fermé. So würde Clara später in aller Ruhe abschließen können, ohne noch von irgendwelchen Nachzüglern belästigt zu werden, denn mit denen würde sie unseren neuen guten Ruf sicher auf einen Schlag zunichtemachen.
    Wir traten den Heimweg über die Pflastersteine an, während gerade die ersten Straßenlaternen aufflammten und die Straßenbahn voller Pendler funkelnd vorbeisauste. Die Autoschlangen auf dem Heimweg bremsten dann und wann in halbherziger Beachtung der priorite a droite, versuchten jedoch gleichzeitig, bloß nicht an Geschwindigkeit einzubüßen. Bald war l'heure de table, Zeit fürs Abendessen, und jeder ordentliche Belgier hatte nichts als eine schöne Suppe, ein steak frites und eine leckere tarte aux pommes im Sinn. Selbst ungesundes, wohltuendes Winteressen wurde hier in drei Gängen serviert. Da war es nicht verwunderlich, dass ich diesen Ort so sehr liebte, oder?
    Diese Gedanken halfen mir dabei, das leise Gefühl der Sorge zu verdrängen, das mich seit Petes Nachricht beschlichen hatte. Selbst als wir zu Hause ankamen, war ich noch relativ gelassen und atmete erst einmal tief durch. Es war zwar unser Heim, doch es roch verlockend europäisch. Irgendwie unenglisch. Die Mischung aus starkem Kaffee, Croissants, Marseiller Seife im Waschpulver und einem Bohnerwachs a l'ancienne ergaben zusammen einen Duft, den man in Fulham nie im Leben erschnuppern könnte.
    Sobald die Kinder mit Tellern voller Spiegeleier,Toaststreifen und knackigen Karottenstangen versorgt waren, holte ich tief Luft und schaltete den Fernseher ein. Es war an der Zeit herauszufinden, was los war. In der Tat gab es »Tom tolle Story«! Ich brauchte nicht lange suchen, denn BBC World brachte die Nachricht auf Platz eins ihrer Berichterstattung: EU-Kommissar in Betrugsskandal verwickelt. Das musste es sein.
    Wie Vanessa bei unserer Dinnerparty schon angedeutet hatte, ging es um Korruption. Laut Sally reagierten bei der Kommission alle höchst allergisch auf Korruptionsvorwürfe, seit die Kommissarin Edith Cresson – erinnern Sie sich, diese etwas verwirrte Französin? – ihrem Zahnarzt Unsummen fair irgendwelche Beratertätigkeiten gezahlt hatte. Und dann hatte es noch einen Fall mit der Bezahlung von Horoskopen gegeben, oder verwechselte ich das mit Nancy Reagan in den Achtzigern? Cresson war jedenfalls zu weit gegangen und hatte den anderen damit einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Zeiten des Absahnens waren vorbei, was man natürlich nicht wissen konnte, wenn man in Großbritannien lebte und seine Informationen aus meinem alten Blatt, den Daily News, oder seinen Rivalen, dem Globe und der Mail, bezog. In den Augen dieses Trios gab es die EU nur, um den ehrbaren Bürgern des Vereinigten Königreichs das Geld aus der Tasche zu ziehen und natürlich alles kaputtzumachen, was ihnen am Herzen lag.
    Ein EU-Kommissionsmitglied, das Gelder anständiger europäischer Steuerzahler veruntreute, war eine gute Story. Da es sich dabei auch noch um einen Briten handelte, wurde die Story sensationell und würde trotz EU-Phobie selbst auf den Britischen Inseln in den Zeitungen stehen. Gut gemacht, Tom, dachte ich mit einemplötzlichen Anflug von Stolz. Aber was

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