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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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gutgeht.« Und mit diesen Worten verschwand er nach oben.
    Ich strich mir vorsichtig über den aufgedunsenen Bauch. Normal? Na ja, vermutlich schon, dachte ich. War es normal, dass Pete und Lou Feinde waren und mich kaum wahrnahmen? Und war es normal, dass Tom so wenig Interesse an unserem Treffen zeigte? Schließlich kannte er die beiden seit Jahren, und trotzdem hatte er mir keine einzige Frage über sie gestellt. Müde schloss ich die Augen. Ich weiß nicht, ob ich es Reue nennen würde, aber ich wünschte mir, ich hätte das vierte Schüsselchen nicht leer gegessen. Und was das fünfte anging ... Tja, es gab wohl auch für mich ein Zuviel des Guten.

18

    Es war kein Zufall, dass ich tags darauf bei Clara kaum eine Praline anrührte, während ich meine Runden drehte, um alle mit Tee und Kaffee zu versorgen. Ein klarer Fall von schlechtem Gewissen. Vielleicht hatte Clara ja tatsächlich recht, und Qualität war manchmal der Quantität vorzuziehen.
    Trudie saß auf ihrem üblichen Platz und inhalierte den Duft des fantastischen weißen Tees mit Birnenaroma, den ich für sie aufgetrieben hatte. Mit dabei war eine Auswahl unserer Kaffeekränzchenfreundinnen. Claras Cafi hatte für die Gang einen entscheidenden Vorteil. Bisher hatte das System so funktioniert, dass für jedes Treffen ein Opfer gefunden werden musste, das sein Haus zur Verfügung stellte. Dieses wurde dann von den Kindern der anderen auf den Kopf gestellt, während die Gastgeberin wie ein aufgescheuchtes Huhn herumrannte, um die Mütter mit Tee zu versorgen. Natürlich opferten sich manche öfter als andere, was zu kindischem Unmut führte. Abgesehen von Scheidungen war dies normalerweise das heißeste Gesprächsthema bei unseren Treffen.
    Sally mit dem Strickpulli zum Beispiel lud uns ziemlich oft ein, auch wenn sie sich mit Spielsachen undBewirtung keine Mühe gab, wohingegen Kachel, die Mutter des überdimensionalen Stanley, die Gruppe noch nicht einmal beherbergt hatte. Alle wussten das und rotteten sich in kleinen Grüppchen zusammen, um entweder Sallys Beschwerden zu lauschen oder sich Rachels Ausreden anzuhören, warum sie sich auf gar keinen Fall auf ein Datum festlegen konnte. Auch ich hatte die Truppe bisher nicht zu mir eingeladen, aber schließlich verbrachte ich ja auch die meiste Zeit bei Clara.
    Das Café war schlicht die perfekte Lösung: Ich kochte den Tee, jede Mutter trug Sorge dafür, dass nichts zu Bruch ging, weil Clara sie sonst zu Brei verarbeiten würde, und alle bekamen dazu noch etwas sündhaft Köstliches zu essen. Unser einziges Problem war, dass wir inzwischen zu beliebt waren. Vermutlich würden wir demnächst Türsteher engagieren und den Eingang mit einer dicken roten Quastenkordel versperren müssen, um die wilde Schar der Mütter abzuhalten.
    Auch wenn ich das rege Treiben sehr genoss und in unserem Viertel kaum eine Straße entlanggehen konnte, ohne dass jemand meinen Namen rief, mochte ich die Stunden, bevor die Kundschaft kam, am liebsten. Da war ich mit Clara und den Kindern allein in der tiefen, samtigen Stille der Schokolade.
    Inzwischen hatte ich ungehinderten Zutritt zu Claras Reich. Stunden verbrachte ich dort, um jeden Handgriff genau zu studieren. Manchmal, wenn sie sehr guter Laune war (also fast nie), durfte ich sogar unter ihrem strengen Blick die einfacheren Pralinenfüllungen zubereiten. Ab und zu schritt ich selber zur Tat und überzog ein Blech Karamellen oder rührte eine Ganache-Creme an.Ein einziges herrliches Mal durfte ich nach Claras Vorgaben sogar einige Champagnertrüffel herstellen. Ja, ich hatte definitiv Fortschritte gemacht. Ich mochte noch keine ausgebildete Chocolatière sein, aber der Weg war nicht mehr so weit. Außerdem führte ich brav mein Tagebuch und, wie Clara es auf ihre brutale Art nannte, klaute weniger.
    Klauen ist ziemlich hart ausgedrückt. Ich betrachtete die Trüffel, die dann und wann aus der Auslage direkt in meinen offenen Mund fielen, lieber als natürlichen Ausschuss. Und da Clara mir weniger als einen Hungerlohn zahlte, musste ich das schließlich in Naturalien ausgleichen. Meine Begeisterung für diese Art von Mundraub ließ allerdings deutlich nach, muss ich zugeben. Anfangs, als wir noch wenig Kundschaft hatten, war mir viel mehr Zeit geblieben, sämtliche Creme-fraîche-Kreationen zu vertilgen, die sich ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum näherten. Als wir aber beliebter wurden, konnte ich schlecht eine Praline aus der Bestellung eines Kunden naschen oder mit dem

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