Schokoherz
Lou ...«, wollte ich gerade ansetzen.
»Nein, du isst den ganzen Tag bloß Schokolade. Das ist was ganz anderes, oder?«, fuhr Louise fort.
Ich riss die Augen auf. »Ich?« Ich hörte wohl nicht recht. »Esse den ganzen Tag Schokolade? Wohl kaum, Louise. Vielleicht hier und da mal ein Stückchen ... um bei Kräften zu bleiben ... aber das war's.« Ich klang nun schon recht sauer.
Louise schnaubte, doch sie verwandelte ihren Lacher schnell in Husten, als sie meinem Blick begegnete.
»Ach ja? Wetten, dass du keinen Tag ohne durchhalten würdest?« Gemma studierte aufmerksam ihre abgekauten Nägel.
»Ohne was?«, fragte ich unbekümmert.
»Schokolade«, antwortete Gemma leise und fixierte mich dabei, so gut sie konnte, mit ihren Schieläuglein. Ich schluckte. Dann dachte ich darüber nach. Konnte ich? Ich verwarf den Gedanken sofort. Wen kümmerte es schon, ob ich es konnte oder nicht? Es würde gar nicht dazu kommen.
»Warum sollte ich das versuchen? Natürlich würde ich einen Tag ohne Schokolade durchhalten – wenn ich esdenn wollte.« Damit war das Thema für mich abgehakt. »Hat einer von euch gesehen, ob sie an der Kasse noch Brownies haben?«
»Worum geht's?« Pete war endlich mit meinem Kaffee zurück. »Hat Bella da eben von ihrem Lieblingsthema gesprochen?« Noch bevor ich den Mund aufmachen konnte, war Gemma mir schon zuvorgekommen. »Ja, wir haben gerade über Schokolade gesprochen – ich wollte mit Bella wetten, dass sie es nicht einen Tag lang ohne durchhält.«
»Was? Natürlich tut sie das. Unsere Bella kann alles. Jegliche Herausforderung, egal wie todesmutig ... Nenn einen Tag«, zog er Gemma halb im Spaß auf, während er mir beruhigend die Hand tätschelte.
»Warte mal –«, unterbrach ich ihn, während Gemma schon wieder loslegte.
»Wie wäre es mit kommendem Montag? Da hast du genug Zeit, um dich drauf vorzubereiten«, fügte sie mit einem süßlichen Lächeln hinzu.
»Die Herausforderung nehmen wir an, nicht wahr, Bella?« Pete hob seine Kaffeetasse, um mir zuzuprosten. »Auf unsere bezaubernde Bella, nächsten Montag schokoladenfrei und endlich wieder hier, wo sie hingehört, an Bord der Daily News. Mögen wir lange auf ihr segeln, äh, ich meine natürlich mit ihr!«
Louise strahlte mich herzlich an, und selbst Gemma rang sich ein Lächeln ab. Ich ließ einen Moment verstreichen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als hätte man sich gegen mich verschworen. Nein, das war absurd. Louise und Pete waren meine Freunde. Und Gemma zumindest eine Kollegin. Das hieß, wir saßen alle im selben Boot. Den Bruchteil einer Sekunde später lächelte ichzurück. Es war schön, wieder da zu sein, wo ich hingehörte. Ich hatte ein großes Interview vor mir, saß hier mit meinen Freunden und hätte sicher bald wieder meinen angestammten Sitzplatz zurückerobert. Alles war wunderbar. Auf den schokoladenfreien Tag hätte ich zwar verzichten können, aber andererseits würde er mir auch keine allzu großen Probleme bereiten. Oder?
3
Vielleicht geht es Ihnen anders, aber ich weiß gerne, wo mein nächstes Stück Schokolade herkommt. Zu Hause habe ich aus diesem Grund eine gutgefüllte Schublade. Genau genommen handelt es sich es eher um einen Schrank. Jedenfalls lagern dort meine eisernen Reserven.
Ich lege Wert darauf, dass hier die Tafeln von Green & Black's in Reih und Glied stehen wie Soldaten, die auf ihr Kommando warten. Es gibt Prestat-Pralinen in ihrer schreiend pinkfarbenen Verpackung oder, falls Tom eine romantische Anwandlung hatte, sogar gelegentlich eine dieser reizenden herzförmigen Schachteln, aus denen die 30er-Jahre-Stars gerne naschten. Auf jeden Fall wartet dort immer eine Dose mit Kakao von Charbonel oder Walker auf mich, damit ich jederzeit eine wohltuende heiße Schokolade zubereiten kann. Und höchstwahrscheinlich finden sich dort auch ein oder zwei coole grüne Packungen Karamell von Fortnum. Es ist mir fast peinlich, dass ich dort außerdem einen ganzen Stapel von der guten, bewährten, ehrlichen Milchschokolade lagere, aber die gehört ja nun wirklich zu den Grundnahrungsmitteln wie Reis oder Mehl. Man nimmt sie zum Kochen, und es gibt Tage, an denen ich genau so eine klebrig süße Tafel brauche.
Wennmein Schrank gerade einmal nicht in Reichweite ist, bin ich froh, Mutter zu sein. Niemand denkt sich etwas dabei, wenn eine Mutter eine eimergroße Handtasche mit sich herumschleppt. Jeder erwartet doch., dass man für Notfälle aller Art stets mit Arnikacreme, Windeln und
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