Schokoherz
Familie stehst.« Eigentlich war ich nicht der Typ für öffentlichen Streit. Aber wenn jemand meine Kinder kritisierte, stand ihm Arger ins Haus. Sogar wenn es ihr eigener Vater war. Ich sah mich am Tisch nach Unterstützung um. Penny verdrehte die Augen und lächelte mir kläglich zu. Wenigstens sie hielt zu mir.
»Wieso?Was hab ich denn Schlimmes gesagt?«, fragte Tom. Er sah reumütig aus und hob mit einem Seitenblick auf Charlie, Jo und John die Schultern. Ein Bild der gekränkten Unschuld. Natürlich hatte er sie sofort auf seiner Seite. Anscheinend sah ich furchtbar wütend aus, denn Penny sprang aus Solidarität auf, drückte tröstend meinen Arm und half mir, die Teller in die Küche zu tragen.
»Vergiss es, Bella. Die können uns mal.« Gott sei Dank schaffte sie es, mich mit ihrem Lächeln aufzuheitern, und als wir den Nachtisch hineintrugen, sprach die Runde von etwas anderem. Aber ich muss zugeben, dass es immer noch weh tat.
Ich setzte das Tablett geräuschvoll ab und erntete einen Sturm der Bewunderung. Nach dem Vorbild des Desserts, das ich damals verspeist hatte, als ich Denise die Neuigkeit von meiner zweiten Schwangerschaft verkündete, hatte ich nämlich petits pots au chocolat gezaubert. Natürlich hatte ich das Ganze noch verfeinert und servierte es nicht in ollen Töpfchen, sondern in den schicken Espressotassen aus unserem Hochzeitsservice von Villeroy und Boch. Außerdem hatte ich jede köstliche Portion liebevoll mit gerösteten Mandeln dekoriert.
»Und ich hatte schon gedacht, wir würden bei dir einen Obstsalat für die schlanke Linie bekommen«, lachte Charlie und rieb sich erwartungsvoll den weichen Bauch.
»Sag bloß, es gibt Schokolade, was für eine Überraschung!«, spottete John.
»Sehr witzig. Keine Sorge, ihr werdet's schon über leben«,sagte ich und lächelte John an. Tatsächlich war ich mir sicher, dass alle begeistert sein würden. Jede der perfekten kleinen Tassen zierte auf dem Unterteller als Dreingabe ein hauchdünner Mürbeteigkeks. In den Teig hatte ich extra etwas Grieß gegeben, um ihn noch knuspriger zu machen. Ich beobachtete, wie Charlie das Wasser im Mund zusammenlief. Er war beinahe so schokosüchtig wie ich. Penny fiel mit einem glücklichen Aufschrei über ihren Nachtisch her. Nur bei Jo konnte man nie sicher sein, ob sie aufessen würde. Ich muss zugeben, dass ich es immer als persönliche Zurückweisung empfand, wenn jemand von meinen Desserts nicht hingerissen war, aber bei Jo machte ich eine Ausnahme, da sie grundsätzlich etwas übrig ließ. Sie stieß den Löffel hinein, zog ihn wieder heraus, ließ die köstliche Schokomasse abtropfen und streifte den Löffel noch am Rand ab. Dann sah sie auf und bemerkte meinen Blick.
»Weißt du, Bella, wir sollten wirklich Power-Walking ausprobieren. Alle machen das, wirklich alle. Wie wär's mit nächster Woche?«, bettelte sie.
Ich sah sie an. Armes Ding, sie wirkte so verzweifelt. Warum nur? Sie war sowieso dünn wie Knäckebrot. Und das Allerletzte, was ich wollte, war, bei uns im Park wie eine zerrupfte Ente herumzuwatscheln. Um Himmels willen! Beim Power-Walking würde selbst Jos winziger Hintern wackeln. Und meiner würde hin und her schwanken wie der eines Brauereipferds. Als ich mir gerade eine höfliche, aber bestimmte Absage ausdachte, bemerkte ich, wie ihr Tränen in die Augen stiegen und diese noch grüner machten. Hilfe! Jo zeigte Gefühle! Anscheinend war der Druck im Büro wirklich groß. »Na gut«,sagte ich, um sie aufzuheitern. »Nur nicht montags. Und höchstens eine Stunde.«
»Das ist großartig, Bella! Du wirst es nicht bereuen.« Sie lächelte beglückt, während mir Penny über den Tisch hinweg zuzwinkerte. Tom war inzwischen wieder in Topform, unser kleines Stimmungstief vergessen. Er hatte fast anderthalb Flaschen Rotwein intus und unseren Gästen noch viel mehr ausgeschenkt. Sein Charme war einfach unwiderstehlich. »Auf unsere Gastgeberin! In einer Sache ist sie einfach unschlagbar, und zwar ... beim Schokoladeessen!« Er riss sein Glas nach oben und verspritzte Wein nach links und rechts. Alle klatschten und johlten. Noch mehr Wein schwappte auf meine tolle goldene Tischdecke. Ich kicherte, während ich im Geiste schon die Decke in die Maschine stopfte. Solche Weinflecken waren äußerst hartnäckig. Aber für einen so glücklichen Moment war es das schon wert. Dabei bemerkte ich gar nicht, dass Tom alle meine Fähigkeiten auf die eine reduziert hatte, die er absolut nicht leiden
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