Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
Vom Netzwerk:
noch gab). Wir saßen im Superfish, dem tollsten Fishand-Chips-Restaurant im Süden Londons. Zwischen boshaften Spekulationen über Gemmas Schwäche für den Chefredakteur und der daraus resultierenden Rivalität mit ihrer eigenen Mutter sowie den Neuigkeiten über die heiße Affäre zwischen einem der mürrischen alten Sportreporter und der derzeitigen Modepraktikantin schworen sie mir hoch und heilig, mich zu besuchen, sobald sie Tickets buchen konnten.
    Auf einen Abschied hätte ich dagegen wirklich verzichten können, und das war der von Jo Pounce, die, wie angedroht, vorbeikam, um mich zum Power Walking zu animieren. Jetzt, wo dieses Gesamtkunstwerk aus glänzendem Haar, einer Figur, für die Barbie alles gäbe, und funkelnden grünen Augen triumphal Partnerin in ihrer Kanzlei worden war, war Jos Gesellschaft kein Vergnügen mehr. Nun verrenkten sich nicht nur alle Männer und Frauen unter neunzig auf der Straße den Kopf, um einen Blick auf ihre Schönheit zu erhaschen, jetzt waren auch Hunde, Katzen und vermutlich sogar Käfer davon betroffen. Doch als ich sah, wie sie Maddie und Olli nachdenklichbeobachtete, wurde mir klar, dass auch sie nicht das perfekte Leben fiihrte. Vor vier langen Jahren war ich in der gleichen Situation gewesen (zugegeben, ohne die aufpolierte Hülle), eine kinderlose Frau Anfang dreißig. Für mich war sonnenklar, dass Jo zwar einen Kinderwunsch verspürte, sich aber gleichzeitig von all dem abschrecken ließ, was das so nach sich zog. Im Grunde nur zu verständlich. Kinder großzuziehen ist harte Arbeit. Was Jo jedoch nicht begriff, war, dass selbst Windelnwechseln und der Verlust einer schlanken Taille kein Problem darstellten, wenn man seinen Nachwuchs so sehr liebte wie ich meine beiden Babys.
    Ich verbrachte einen ziemlich anstrengenden Abend mit ihr. Zuerst einmal kam sie überraschend zu spät, um noch powerzuwalken, im Februar wurde es ja immer noch recht früh dunkel. Allerdings möchte ich mich nicht darüber beschweren, dass wir zugunsten einer Tasse Tee vor dem Kinderfernsehen auf den Sport verzichteten. Alle paar Minuten musste ich aufspringen und ihr Chablis nachschenken, während ich gleichzeitig Fischauflauf für die Kinder kochte, sie fütterte, später unser Erwachsenenabendessen vorbereitete – Schnapperfisch in Pfeffersoße – und hinterher alles aufräumte. Zum Glück kannte ich Jo gut genug, um ihr ihre mangelnde Bereitschaft, mit anzupacken, nicht übelzunehmen. Dann spielten wir eine Runde Memory, gefolgt von einer Malstunde mit dicken Buntstiften. Jo sah uns zu wie ein avantgardistischer Theaterkritiker, den man zwingt, eine Kindersendung anzuschauen. Sie wusste, die Familienidylle grenzte an Kitsch und widersprach jeglicher Rationalität – aber sie konnte sich trotzdem kaum entziehen. Als ein Kratzen an der Haustür Toms früheHeimkehr verkündete, entspannte sie sich zunehmend. Nun würde sie in die Welt zurückfinden, in der sie zu Hause war – Männer, Machenschaften und Geld, in beliebiger Reihenfolge. Nachdem ich alleine die ganze Bettgehprozedur übernommen hatte, begab ich mich wieder nach unten, wo Jo bei ihrem x-ten Glas Wein saß und mit Tom in irgendeine abstruse politische Diskussion verstrickt war. Ich gab mein Möglichstes, Interesse zu heucheln, wurde jedoch mehrmals von nilpferdhaftem Gähnen überfallen. Also umarmte ich Jo herzlich und das Letzte, was ich von ihr sah, waren ihre unglaublich langen Beine auf meinem Sofa, während sie und Tom sich über irgendwelchen Regierungskram in die Haare kriegten.
    Scheinbar nur wenige Sekunden später war das Haus erfüllt von großen, kräftigen Umzugsmännern. Klingt toll, was? Leider stellten sie alle ihre Dekolletés am unteren Rücken zur Schau, die mindestens so behaart waren wie ihre Brust. Weshalb müssen Männer mit haarigen Hintern so viel Zeit auf den Knien verbringen und einem auch keine einzige überaktive Haarwurzel vorenthalten? Sie kamen jedenfalls bei Sonnenaufgang, gingen gemeinsam auf die Knie und breiteten riesige Rollen Luftpolsterfolie aus, die fast den ganzen Teppich bedeckten. Die Kinder ließen sich natürlich mit Begeisterung drauffallen und versuchten, die Blasen zum Platzen zu bringen. Das Packen an sich war ein Erlebnis. Einerseits war ich Lady Macbeth, die händeringend durchs Haus wanderte und jammerte:»Wer hätte gedacht, dass wir so viel Kram angehäuft haben?« Andererseits glich ich einem übermütigen Welpen, der sich mit Freudengeheul aufjeden verloren

Weitere Kostenlose Bücher