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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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die Nase gehalten und dessen recht unscheinbares Äußeres ich gebührend gelobt hatte. Ich kannte Claras Meinung über ihre Nachbarn und eine Menge ihrer Kunden. Und ich fand sie einfach klasse.
    Ihre erwachsenen Kinder hatten sich wohlweislich ihrem herrischen Einfluss entzogen, und ich fand schnell heraus, weshalb. Wir kannten uns gerade fünf Sekunden, als sie mich schon mit guten Ratschlägen bombardierte als sei sie das Orakel von Delphi und ich eine arme Bittstellerin.Dabei war ich doch ein zahlender Gast - mit dem guten Recht, mich auf meine Weise durch mein Leben zu wursteln.
    »Dieses bébé, sie ist zu alt, um noch aus der Flasche zu trinken. Und der Junge, pah, der braucht anständige Schuhe. Das Wetter, es ist kalt hier.« Das waren mehr oder weniger Claras Begrüßungsworte, während sie mich an einen Tisch scheuchte. Doch obwohl ich vorn ersten Moment an erkannte, dass Clara unmöglich war, genoss ich sie enorm. Nicht viele Leute hatten den Mut, mich herumzukommandieren. Für mich, die frisch hergezogene Ausländerin, die außerhalb der eigenen Familie erst einen einzigen Menschen kannte, war es ehrlich gesagt schön, dass es jemanden kümmerte, ob ich Madeleines Strickjacke falsch zuknöpfte oder Olli seine Gabel nicht richtig hielt.
    Außerdem äußerte Clara all ihre Belehrungen auf Französisch, was mich unheimlich bilden würde. Mein Französisch war an sich nicht schlecht, immerhin hatte ich es bis zum Schulabschluss gebüffelt. Allerdings fand ich sehr bald heraus, dass große Unterschiede darin bestanden, einen Essay über Molière zu fabrizieren und sich in einer echten frankophonen Postfiliale verständlich zu machen. Im Gegensatz zu all den Belgiern, denen ich bisher begegnet war, ertrug Clara mein Gestotter nicht mit fragend gerunzelter Stirn, um mir dann in flüssigem und fehlerfreiem Englisch zu antworten. Die Stirn runzelte sie zwar durchaus, doch dann forderte sie mich auf, alles noch einmal auf Französisch zu wiederholen. Und sie selbst sprach ebenfalls Französisch mit mir, und zwar so betont l a n g s a m, als sei ich vollkommen bekloppt.
    »Gut,Madame Bella, Sie kommen also morgen wieder, non? Sie probieren mein massepain als Nächstes?«, hakte Clara nach, als ich schließlich widerstrebend unsere verstreuten Siebensachen einsammelte.
    »Aber ich mag eigentlich gar kein Marzipan ...«, erwiderte ich und stopfte Maddies Mütze in den Korb unter dem Buggy.
    Plötzlich war Claras Gesicht nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. Ich konnte sogar die roten Äderchen erkennen, die sich wie ein wirres Netz durch das Weiß ihrer Augen zogen, ich konnte die schiefen Zähne in ihrem Unterkiefer erahnen, ich konnte ... einfach viel zu viel sehen. Schnell richtete ich mich auf und wich zurück.
    »Bof! Was wissen Sie schon von echtem massepain in Schokoladenfondant. Macht man das in Ihrem England, ?«
    »Ah, möglicherweise nicht auf die gleiche Art wie Sie ...«, gab ich zu.
    »Und Sie wollen etwas lernen, während Sie hier in meinem Land sind? Sie wollen etwas über richtige Schokolade lernen?«
    Damit hatte sie mich am Haken. Auf genau dieses Angebot hatte ich im Grunde mein ganzes Leben gewartet.
    »Jaja, das will ich.« Ich versuchte, nicht allzu sehr wie ein nickender Wackeldackel zu wirken. »Meinen Sie, Sie könnten mir das beibringen?«
    Clara musterte mich gründlich von oben bis unten. Es kam mir vor, als würde sie meine Seele prüfen, mein bisheriges Leben abwägen und meine Zukunft beurteilen. Sie konnte einen schon ziemlich verunsichern. Nacheiner sehr langen Pause nickte siekaum merklich. »Bon. Wir werden es versuchen.«
    Ich kam mir vor, als hätte ich eine unendlich schwierige Prüfung bestanden. Ich strahlte vor Freude, und plötzlich verzog sich sogar Claras Mund zu einem Lächeln. Sie nahm Maddies Mütze aus dem Korb, wo ich sie gerade verstaut hatte, und band sie resolut unter dem Babykinn zu. Danach knöpfte sie Ollis Mantel bis zum Kragen zu. »Sie müssen sie gut einpacken, die
trésors
, es ist nicht warm hier in Bruxelles«, ermahnte sie mich ruppig. »Bon. A demain. « Mit diesen Worten hielt sie mir die Tür auf und hob eine Hand zum Abschiedsgruß, während ich den Buggy nach draußen schob.
    Nun hatte ich also nicht nur einen Platz gefunden, an dem die Kinder und ich in wunderbar gemütlichen Sesseln zwischen Tischen mit hübschen weißen Spitzendecken herumlümmeln konnten. Vielmehr war ich zufällig über den besten Ort für Französischstunden

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