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Schokoherz

Schokoherz

Titel: Schokoherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Castle
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Clara. Das passte. Ich hatte zwar keine Ahnung, wer Clara war, aber diese Pralinen hier waren absolut heiß und gerade dabei, mich auf die schiefe Bahn zu locken. Man könnte ins Feld führen, dass ich in puncto Schokolade besonders leicht herumzukriegen bin, aber ganz ehrlich – bei dieser Schaufensterauslage hätte selbst eine Nonne ihren Schleier gelüftet. Ich sah hinunter zu den Kindern. Mist, sie waren am Aufwachen. Was sollte ich bloß tun? Einerseits wollte ich sie ja stets vor der Teufelsbohne bewahren, in der Hoffnung, dass sie nicht meine Neigungen, sondern die seltsame Vorliebe ihres Vaters für salzigen Marmite-Aufstrich geerbt hatten. Andererseits, ach, was soll's, ich würde da jetzt reingehen. Schließlich wollten wir uns nur mal umsehen!
    Zwei Stunden später schob ich meine zweite Tasse heiße Schokolade über die schneeweiße Spitzentischdecke und lehnte mich im gemütlich dick gepolsterten Chintzsessel zurück. Lächelnd genoss ich nach der Februarkälte draußen die Wärme des kleinen vollgestopften Cafés. Die Fenster waren innen leicht beschlagen, so dass Passanten dort draußen lediglich als verschwommene Schemen aus einer Welt auftauchten, die mit uns nichts zu tun hatte, und selbst der Brüsseler Verkehr rückte in weite Ferne. Die Einrichtung schien den wilden Fantasien einer schrulligen alten Jungfer entsprungen zu sein. Unter normalen Umständen wäre dies wenig reizvoll gewesen, aber ich hatte mich mit der Erleichterung eines Kleinkindes, das in ein Schaumbad getaucht wird, hineinsinken lassen. Mich als höchst zufrieden zu bezeichnen wäre eine Riesenuntertreibunggewesen. Ich sah zu Olli und Madeleine hinüber, die sich in ihren unterschiedlich geblümten Sesseln ebenso eingekuschelt hatten wie ich. Über ihren Köpfen hingen große Ölbilder mit sich räkelnden Katzen, deren Mienen die strahlenden kleinen Gesichter der beiden zu spiegeln schienen. Und bevor Sie mir vorwerfen, dass nur eine schlechte Mutter ihren Nachwuchs in einem Süßwarenladen frei herumlaufen lässt, möchte ich darauf hinweisen, dass Ollis heiße Milch nur mit einem Hauch von Schokolade in Berührung gekommen war, und Maddies war beinahe blütenweiß.
    Diese Tatsache war einer erstaunlichen Erfindung meiner neuen Freundin Clara zu verdanken. Clara von Chocolat Chaud de Clara, um genauer zu sein. Ich würde nie begreifen, warum sich das nicht längst in jedem Café der Welt durchgesetzt hatte. Ich jedenfalls dankte dem lieben Gott mit der Inbrunst einer frisch Bekehrten für diese Erfindung. Und ich war gerade rechtzeitig gekommen, um mir von Clara in ihrem plüschigen Café alles erklären zu lassen. Es handelte sich nämlich um die mit Abstand cleverste Erfindung, die ich je gesehen hatte. Sie war einfach, aber schrecklich effektiv: ein dünnes Holzstäbchen, wie ein Fleischspieß, an dessen Ende sich eine massive Kugel aus feinster Milchschokolade befand. Schon wenn ich mir diese bloß unter die Nase hielt und tief einatmete, war ich kurz davor, wie eine viktorianische Heldin zu Boden zu sinken, so sehr stieg mir die Kombination aus Kakao-, Honig- und Vanilledüften zu Kopf.
    Sobald man sich wieder einigermaßen im Griff hatte, nahm man diesen Schokoladenlolli in die eine und ein Glas lait chaud in die andere Hand und tunkte Ersteres in Zweiteres.Das weitere Vorgehen blieb dann jedem selbst überlassen – ob man so lange herumrührte, bis die gewünschte Schattierung von Schokoladenbraun erreicht war, oder ob man den Spieß einfach vor sich hin schmelzen ließ, bis er sich völlig aufgelöst hatte, um das Ganze dann anschließend schaumig aufzuschlagen. Man konnte sich natürlich auch sagen (und das war durchaus eine Option), wen interessiert's, und einfach den Schokololli aufessen und die Milch separat dazu trinken. Inzwischen hatte ich alle Varianten ausprobiert und hatte mich noch immer nicht entschieden, welche mein Favorit war.
    Eines hatte ich jedoch begriffen: Das Schicksal hatte gewollt, dass Clara und ich aufeinandertrafen. Sie war ein belgischer Drachen Mitte fünfzig und sah der hässlichen Stiefschwester aus Shrek 2 verdächtig ähnlich, auch wenn sie weder deren Anmut noch Charme besaß. In der Zeit, die ich gebraucht hatte, um zwei Tassen heiße Schokolade zu trinken, hatte ich einige Kapitel ihrer Lebensgeschichte zu hören bekommen. Von zwei Ehemännern hatte sie sich bereits verabschiedet, und sie schloss weitere nicht aus. Sie hatte fünf Kinder und ein Enkelkind, dessen Foto sie mir unter

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