Schokolade für dich (German Edition)
vernünftig betrieb, würde sie untergehen. Und all diese alten Highschoolkumpel und Freunde von Freunden, die eine Sonderbehandlung verlangten, würden das endlich in ihren Dickschädel bekommen müssen.
Vielleicht stimmte das alte Sprichwort ja doch, dass man nicht zurückkehren sollte. Icicle Falls war ein wunderbarer Ort gewesen, um dort groß zu werden. Picknicks, die von der Kirche veranstaltet wurden, Campingausflüge mit den Pfadfindern, am Fluss mit Gramps, seinem Großvater, angeln gehen. Aber inzwischen überlegte Blake, ob er das Kleinstadtleben nicht in der idyllischen Vergangenheit hätte belassen sollen – da, wo es hingehörte. Diesen Job anzunehmen war auf der Karriereleiter keinSchritt nach oben, sondern ein Schritt in einen großen Haufen Mist gewesen.
Er zupfte an seinem Kragen, der ihm auf einmal schrecklich eng vorkam, und machte sich dann wieder daran, den Kreditantrag zu bearbeiten, der vor ihm lag. Doch das Einzige, was er vor sich sah, waren Samantha Sterlings volle Lippen, die sie wütend zusammengepresst hatte. War er eigentlich auf Drogen gewesen, als er sich entschieden hatte, nach dem Collegeabschluss ins Bankgeschäft einzusteigen? Verdammt, er hätte auch seiner Familie nach Seattle folgen und seinem Dad helfen können, den Honda-Vertrieb aufzubauen. Oder in die IT-Branche gehen und ein Vermögen verdienen. Oder Bauarbeiter werden. Lkw-Fahrer. Gefängniswärter.
Im Moment kam er sich vor wie ein Gefängniswärter, der aufpassen musste, dass er nicht hinterrücks mit einem Taschenmesser erstochen wurde. Und das nur wegen einer wütenden Frau. Korrektur, einer wütenden und unausgeglichenen Frau.
Natürlich verstand er jetzt, warum sein Vorgänger sich zu so idiotischen Entscheidungen hatte hinreißen lassen. Das lange rote Haar, diese großen braunen Rehaugen, dieser kleine niedliche Hintern – Samantha Sterling war heißer als das Wenatchee-Tal im August. Genauso wie ihre Schwestern und ihre Mutter. Er hatte sie in der Stadt gesehen. Sie waren ein perfekt aufeinander abgestimmtes Team von Jungfrauen in Nöten. Er konnte sich gut vorstellen, wie Muriel ein bisschen Dekolleté zeigte, mit ihren dichten Wimpern klimperte und damit den alten Arnie in eine Art Trancezustand versetzt hatte, sodass er ihr glücklich alles gegeben hätte, einschließlich des Schlüssels für den Tresor. Ihr dabei zuzusehen, wie sie und ihre Tochter so tapfer kämpften, um den Familienbetrieb am Leben zu erhalten, wie diese großen Augen in Tränen schwammen – der arme Kerl hatte keine Chance gehabt.
Doch Blake war aus härterem Holz geschnitzt. Natürlich würde er alles tun, was in seiner Macht stand, um Samantha zu unterstützen. Er würde Schokolade kaufen, obwohl er dagegen allergisch war, aber Grams Geburtstag stand vor der Tür, und erwürde ihr die größte Schachtel Pralinen besorgen, die es dort gab, und wenn seine Mutter und seine Schwester zu Besuch kamen, würde er sie in den Sweet-Dreams-Laden schicken, damit sie mit seiner Kreditkarte nach Herzenslust einkaufen gehen konnten. Er war sogar willens, zusammen mit Samantha zu überlegen, wie sie Geld auftreiben konnte – vielleicht über private Investoren oder mit einem Darlehen von einem ihrer Kumpanen aus der Handelskammer. Das hätte er ihr alles erklärt, wenn sie nicht ausgerastet und so plötzlich verschwunden wäre. Aber er konnte ja nicht wegen ihr einfach die Regularien der Bank ändern. Mit der verlängerten Nachfrist hatte er sich sowieso schon in eine prekäre Lage gebracht.
Du musst dich nicht für die Fehler, die andere gemacht haben, verantwortlich fühlen, erinnerte er sich. Du kannst nicht jeden einzelnen Betrieb retten, der in diesem Land vor der Pleite steht. Trotzdem wäre es eine Schande, gerade diesen Betrieb zugrunde gehen zu lassen. Er war sich der Geschichte der Firma durchaus bewusst, schließlich war es schon fast filmreifer Stoff. Allerdings sah es im Moment nicht so aus, als würde die Geschichte der Sterlings auf ein Happy End zusteuern.
Er versuchte sich wieder auf die Papiere vor sich zu konzentrieren. Doch es war zwecklos. Er fühlte sich wie der Schurke in einem Drama. Sweet Dreams war Samantha Sterlings Baby, und sie bemühte sich verzweifelt darum, es zu retten. Wenn er gezwungen war, die Türen der Firma zu schließen und sämtliche Vermögenswerte zu veräußern, wäre er ein Kidnapper, und alle Einwohner der Stadt würden ihn hassen. Fast so sehr, wie er sich selbst hasste.
Elena warf nur einen
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