Schokoladenzauber - Roman
Neuigkeit, dass Raphael Sinclair der neue Vikar von Sticklepond war, wurde in der Lokalzeitung verkündet und verbreitete sich wie ein Lauffeuer bis in die entlegeneren Gebiete des Landkreises. Sie verdrängte sogar die Berichterstattung zum Thema Strandbad und Tennisplätze, obwohl alle im Dorf noch immer vor Wut kochten.
Wo ich auch hinkam, überall fiel Raffys Name, und selbst wenn ich auf einen Kaffee zu Felix ging, musste ich mir anhören, dass ich erwachsen werden und nach vorne schauen solle und dass es doch großartig sei, wenn sich jemand wie Raffy dazu herabließ, über unser niederes Dorf zu herrschen.
»Obwohl sich der Staub sicher bald legen wird, denn Raffy steht doch schon seit Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit, selbst wenn seine Musik noch sehr präsent ist«, sagte Felix. »Die Jugend ist deswegen bestimmt nicht aus dem Häuschen, nur wir Oldies.«
»Jake ist durchaus aus dem Häuschen«, widersprach ich und fragte mich düster, ob ich nun zu den Oldies zählte.
»Jake ist ein spezieller Fall. Ich habe Raffy eingeladen, sich heute Abend im Falling Star zu uns zu gesellen – oder an einem anderen Abend«, entgegnete Felix aufmüpfig.
Ich starrte ihn an. »Wenn er kommt, komme ich sicher nicht! Was hast du dir dabei gedacht? Wir sind doch eine eingeschworene Dreierrunde!«
»Warum sollten wir nicht mal zu viert sein? Ich dachte, es mache dir nichts aus. Du hast doch selbst gesagt, du würdest dich an seinen Anblick gewöhnen.«
»Ja, aber sein Anblick irgendwo im Dorf ist eine Sache«, sagte ich (ehrlich gesagt, drehte ich mich auf dem Absatz um, sobald ich ihn irgendwo in der Ferne erspähte), »aber sein Anblick mir gegenüber in unserem Raum des Falling Star eine ganz andere!«
Felix sah mich ungewohnt kritisch an. »Raffy hat vermutet, dass du so empfinden würdest. Er sagte, er werde nur dann kommen, wenn es dir sicher nichts ausmacht.«
»Es macht mir aber etwas aus, dass er sich in mein persönliches Umfeld und mein Sozialleben – so ich denn eins habe – einmischt. So weit reicht meine Vergebung nicht.«
»Bist du nicht ein wenig borniert?«
»Das finde ich nicht – ich dachte, gerade du würdest verstehen, wie es mir geht«, sagte ich, und danach kamen wir einem Streit so nahe wie noch niemals zuvor.
Auch das war Raffys Schuld.
Kapitel zweiundzwanzig
Darker Past Midnight
A ls ich Samstagmorgen zu Brummbart ging, um das neue Kapitel abzuholen (wir beide kennen kein Wochenende), hörte ich von Zillah, die am Küchentisch saß und mit geübter Hand ihre Tarotkarten mischte, er sei unterwegs.
» Unterwegs? Aber er geht doch nie morgens aus dem Haus!«
»Noch eine Veränderung. Hebe Winter hat ihn gestern aufgesucht – ich habe meinen Augen nicht getraut, als sie vor der Tür stand und ebenso lang- wie hochnäsig auf mich herabgesehen hat. Und dann kam ein Anruf, und schon ist er unterwegs nach Winter’s End. Er hat sich sogar selbst ans Steuer gesetzt, was er ja bekanntlich nicht gerade oft tut.«
»Dann plagt ihn sein Hexenschuss wohl nicht mehr?«
»Vollkommen weg.«
Brummbarts Ausflug kam mir äußerst merkwürdig vor, aber wahrscheinlich ging es dabei um Mittel und Wege, Digby Mann-Drakes Übergriffe abzuwehren, und dafür musste eine Allianz geschmiedet werden. Auf mich hatte Mann-Drake nicht gewirkt, als wäre er zu Aufregenderem als einem Hutzauber fähig, aber der Eindruck täuscht ja oft.
Zillah schob ihre Frühstücksreste beiseite und legte die Karten aus, dann sah sie plötzlich auf und ergänzte: »Ich soll dir sagen, das Kapitel liegt auf seinem Schreibtisch.«
Dieses Buch war bestimmt schon doppelt so lang wie alle anderen. Und bildete ich mir das nur ein, oder hatte es eine dunklere Färbung angenommen? Hoffentlich konnte sein Held der Herausforderung begegnen.
Brummbart kehrte in ausgesprochen mitteilsamer Stimmung zurück. Als ich ihm das ausgedruckte Kapitel brachte, wusste er zu berichten, dass Hebe Winter ihn gebeten hatte, am Dienstag an einer weiteren Krisensitzung des Gemeinderats teilzunehmen, in beratender Funktion.
»Aber die letzte Sitzung war doch erst Donnerstag?«
»Die Geschehnisse um Mann-Drake haben eine erneute Wende genommen, und wir haben keine Zeit zu verlieren, Chloe. Ich wusste von seinem Plan, den Tennisclub und das Strandbad zu schließen, aber nun versucht er, von mehreren Anrainern eine Gebühr zu erheben, weil sie zu ihrem Besitz über einen ganz bestimmten Wiesenstreifen fahren.«
»Wie kann er das denn?«
»Er
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