Schokoladenzauber - Roman
denn schon brauste Effie Yatton in ihrem alten grünen Morris herbei und riss das Schild ab.
Sie war eine energische, grauhaarige Frau mit dem schmalen, aufmerksamen Gesicht eines Windhunds. Effie nickte mir zu und sagte kurz und bündig: »Empörend! Ich nehme die Zettel später mit zur Sitzung des Gemeinderats, damit wir beraten, was zu tun ist.«
Dann warf sie das Schild auf sein Pendant, vermutlich vom Strandbad, und fuhr davon. Meiner Meinung nach war es illegal, die Dinger zu entfernen, aber als ich das Felix gegenüber bei meinem üblichen kostenlosen Morgenkaffee erwähnte, erwiderte er, sie würde die Zettel vermutlich später wieder anbringen und die Sitzung zur Abwechslung einmal wirklich interessant.
Auf die Bestätigung seiner These musste ich länger als gewöhnlich warten. Ich hatte schon gar nicht mehr mit Poppy gerechnet: Sie war noch in der Kirche gewesen.
»Raffy hält außer sonntags jeden Tag um halb sechs eine Abendandacht, auch heute, gleich nach der Sitzung, und da haben Felix und ich uns entschlossen hinzugehen.«
»Felix?«
»Ja, er mag Raffy, die beiden scheinen sich wirklich gut zu verstehen. Es waren noch ein paar andere Besucher da, und die Andacht war kurz: Raffy hat ein Stundengebet vorgelesen, so etwas wie ein langer Gedanke zum Tage. Er hat eine sehr schöne Stimme. So tief und weich und warm … Es war wunderbar und friedlich, und hinterher habe ich mich viel besser gefühlt. Du solltest es einmal wagen, Chloe.«
»Ganz sicher nicht.«
»Nein, wohl kaum«, räumte sie zerknirscht ein. »Tut mir leid, das war gedankenlos.«
»Schon okay.«
»Mit Raffy werden die Sitzungen wohl etwas anders verlaufen, Chloe. Er hat sich nicht direkt zum Wortführer gemacht, aber irgendwie hat sich die Autorität von Miss Winter auf ihn verlagert … Oder vielleicht wird es auch eine Art Gewaltenteilung?«, überlegte sie. »Raffy ist ziemlich still, aber trotzdem weiß man, dass er da ist.«
»Man kann ihn auch nur schwer übersehen, bei seinen eins fünfundneunzig.«
»Du weißt, wie ich das meine«, sagte sie und brachte mich dann auf den neuesten Stand. »Felix sagt, du hast von Mann-Drakes Schildern gehört?«
»Mittlerweile weiß das ganze Dorf davon. Das ist ein fast ebenso großes Thema wie der neue Vikar.«
»Eine Schande, dass Mr Grace gestorben ist, bevor wir genug Geld aufbringen konnten, um die Tennisplätze und das Strandbad für das Dorf zu kaufen. Wir wissen nicht einmal, ob die Schilder eine Art Erpressung sind, um eine höhere Pacht herauszuschlagen, oder ob Mann-Drake wirklich vorhat, die Grundstücke als Bauland zu verkaufen.«
»Dürfte er das denn? Der Gemeinderat wird dem wohl kaum zustimmen, oder?«
»Nein, aber er könnte sich über den Entschluss hinwegsetzen, da die Grundstücke innerhalb der Dorfgrenzen liegen.«
»Was? Selbst das Strandbad? Ich dachte, das läge außerhalb.«
»Vor der Pest war das Dorf viel größer, seither sind viele Häuser verschwunden, und man sieht auf den Feldern bloß noch die Senken.«
»Dann sind die vereinzelten Häuser am Dorfrand im Grunde also übrig geblieben?«
»Ja. Jedenfalls will Miss Winter an Mann-Drake schreiben und ihm sagen, was der Gemeinderat und das ganze Dorf darüber denken, und auch Raffy wird bei nächster Gelegenheit mit ihm reden. Für den Moment will uns Raffy großzügigerweise den Tennisplatz im Garten des Pfarrhauses zur Verfügung stellen.«
»Ich wusste gar nicht, dass da einer ist.« Kein Wunder, denn der Garten des Pfarrhauses war wie ein Dschungel, in dem sich eine untergegangene Zivilisation samt Stufenpyramide verstecken könnte.
»Am Ende, am hinteren Tor. Raffy will die Arbeiter bitten, zuerst die Bäume und Sträucher zurückzuschneiden, und dann den kleinen Pavillon renovieren lassen. Effie Yatton war als Vorsitzende des Tennisclubs natürlich wahnsinnig dankbar. Sie hat sogar gestanden, dass sie den Salon des Pfarrhauses für ihre Pfadfinderinnentreffen genutzt hat, wenn die Dorfhalle belegt war.«
»Die Dorfhalle hat doch einen Anbau, kann sie den nicht nehmen?«
»Im Prinzip schon, aber das Dach leckt, und die Leitungen müssen repariert werden. Raffy hat ziemlich humorvoll reagiert und gesagt, er habe sich schon gewundert, warum in einer Ecke riesige Papiermaschee-Pilze stehen und ein Stapel Hula-Hoop-Reifen liegt. Und dann hat er versprochen, auch den Anbau renovieren zu lassen – er ist wirklich unheimlich hilfsbereit und großzügig!«
»Er kann es sich wahrscheinlich
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