School of Secrets. Verloren bis Mitternacht (German Edition)
Angst.«
»Wann war das?«, wollte Sean wissen.
Mr Chiave kniff nachdenklich die Augen zusammen.
»1910«, antwortete er und schmunzelte, als verlöre er sich gerade in Erinnerungen an diese Zeit.
»Aber das ist über hundert Jahre her«, stellte Sean ungläubig fest.
»Tatsächlich? Nun, dann bin ich wirklich schon ein alter Kauz«, meinte der Mann kichernd und rückte seine Nickelbrille zurecht.
Stirnrunzelnd sah ich zu Jason.
»Ich dachte, hier altert man nicht?«
Er kratzte sich nachdenklich am Kopf, bevor er von Mr Chiave zu mir sah.
»Ich bin jedenfalls keinen Tag gealtert. Vielleicht gilt das aber auch nur für die Welt, in der ich festsaß«, spekulierte er.
Die ersten fünfzig Jahre hat sich auch mein Körper kein bisschen verändert«, bemerkte Mr Chiave lächelnd. »Ich war noch genauso jung und dynamisch wie an dem Tag, an dem ich diese Welt betrat. Doch nach vielen Jahren habe ich festgestellt, dass sich etwas geändert hatte. Zuerst waren es nur Kleinigkeiten. Eine neue Falte hier und da oder ein Ziehen im Kreuz. Aber dann wollten meine Augen nicht mehr so gut sehen wie früher, und irgendwann wurde mir bewusst, dass ich wieder zu altern begonnen hatte.«
»Was ist mit Ihren Freunden geschehen?«, fragte ich leise, auch wenn ich mir die Antwort schon denken konnte.
Mr Chiave seufzte.
»Sie sind alle gestorben«, erklärte er traurig.
»Das tut mir leid«, murmelte ich.
Er schüttelte den Kopf.
»Das muss es nicht. Du bist ja nicht schuld an ihrem Tod. Außerdem ist es schon sehr lange her.« Herr Chiave hatte anscheinend beschlossen, die förmliche Anrede zu vergessen und mich zu duzen, wogegen ich nichts einzuwenden hatte.
»Und Sie leben seit damals in dieser Hütte?«, erkundigte sich Sarah, die sichtlich bestürzt wirkte.
»Ja, ich habe den Schutzkreis niemals verlassen«, antwortete er.
»Aber woher bekommen Sie ihre Lebensmittel und die anderen Dinge, die man benötigt? Und wieso hat diese Hütte Strom und fließend Wasser?« Wilson sah zur Decke, wo eine einzelne Glühbirne Licht spendete.
Mr Chiave zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß es nicht, es ist einfach da. Genau wie die Vorratskammer und der Kühlschrank, die sich immer wieder selbstständig auffüllen.«
»Wie bei mir auf der Burg«, stellte Jason fest.
»War der Schutzzauber um das Grundstück auch schon von Anfang an da?«
»Diesen Zauber hat die Hexe gewirkt, von der ich euch erzählt habe. Wie ich bereits sagte, war sie überaus mächtig, und ich bin ihr dankbar, dass ihre Magie mich all die Jahre beschützt hat. Kurze Zeit später fiel sie diesen Kreaturen in die Hände, als sie ein letztes Mal alles überprüfen wollte«, berichtete er bedrückt und wirkte plötzlich noch älter.
»Haben Sie niemals versucht, diesen Raum wieder zu verlassen und zurück in ihre eigene Welt zu gelangen?« Tim sah den alten Mann neugierig an.
»Mehr als nur einmal, mein Junge. Aber weit bin ich nie gekommen, und irgendwann musste ich einsehen, dass ich nur hier in Sicherheit bin.«
»Kommen Sie doch mit uns, wenn wir gehen«, schlug Mona aufgeregt vor.
Der alte Mann sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Würdet ihr mich denn mitnehmen?«, fragte er ungläubig. Sofort setzte zustimmendes Gemurmel ein.
»Natürlich«, antwortete ich und sah zu Chris, der kopfschüttelnd mit den Augen rollte.
»Aber ich bin nicht so flink wie ihr und würde euch womöglich nur aufhalten«, gab Mr Chiave zu bedenken.
»Wir haben doch Jason. Er ist ein Jumper und kann uns unbeschadet von hier wegbringen«, erklärte Mona.
»Genau«, stimmte Sarah zu. »Und Lucy versorgt ihn mit genügend Energie, damit er uns alle transportieren kann. Sie ist nämlich ein Akkumulator.«Mr Chiave legte den Kopf schief und sah mich an. Seine freundlichen, blauen Augen musterten mich aufmerksam, als könne er etwas sehen, was den anderen verborgen blieb.
»So, so. Ein Akkumulator«, murmelte er und lächelte verschmitzt.
»Was für eine Gabe haben Sie?«, erkundigte sich Sean neugierig. Ich atmete innerlich auf, da er das Gespräch von mir abgelenkt hatte.
Mr Chiave wandte den Blick von mir ab, wie ich erleichtert feststellte. Ich fühlte mich unbehaglich, wenn ich derart unter die Lupe genommen wurde. Stattdessen drehte er sich zu Sean.
»Ich bin ein Scout.«
»Wow, ich dachte, es gibt keinen mehr«, sagte Tim ehrfürchtig.
»Boah, ein echter Scout? Ist ja geil.« Benjamin nickte bewundernd.
Auch meine anderen Freunde schienen tief beeindruckt
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