Schossgebete
sehr gut, wenigstens einer, der einen klaren Kopf bewahrt. Ich rufe die Auskunft an, finde heraus, welche Apotheke Notdienst hat, und rufe dort sehr aufgeregt an. Ich kann es nicht fassen, dass mir das passiert, scheiß Würmer, in mir!
»Guten Abend, mein Name ist Elizabeth Kiehl, meine Familie und ich haben grad am späten Abend festgestellt, dass wir Fadenwürmer haben, können Sie uns heute Abend noch, ohne Rezept, ein Mittel dagegen geben? Ich bring dann morgen vom Arzt das Rezept nach.«
»Ohne Rezept darf ich leider nichts rausgeben. Schon zu oft passiert, dass die Leute das nachher nicht bringen.«
Hab ich mir fast gedacht, in diesem scheiß Land. Woanders geht man einfach in die Tankstelle und kauft sich das, hier muss man die ganze Nacht warten, bis der Arzt aufmacht. Das kann doch nicht wahr sein! Ein Rezept für ein Wurmmittel. Was soll ich denn damit machen, Leute oder mich umbringen? Party? Mich wegschießen?
»Ja, danke trotzdem. Eine ruhige Nacht wünsch ich Ihnen noch.« Mit vielen Toten und Verletzten direkt vor ihrer scheiß Apotheke!
Ich stelle mich darauf ein, die ganze Nacht mit diesem Jucken wach zu liegen. Diese Dinger bewegen sich wie verrückt, die kringeln sich und tanzen in mir rum. Mir fällt mein Exfreund ein. Vielleicht hat er auch Würmer, wenn unser gemeinsames Kind und ich das haben. Wir waren nie verheiratet, aber wir hätten mal fast geheiratet, wenn nicht etwas Schreckliches dazwischengekommen wäre. Leider sind wir jetzt durch unser Kind für immer miteinander verbunden. Was meistens anstrengend ist.
Es ist gut, dass unser Kind keine Spannungen mitbekommt, nicht für seine Eltern mitdenken muss, wie ich das immer musste, als Scheidungskind meiner Eltern. Müssen fast alle Scheidungskinder, überlegen, was ist Mama und Papa zuzumuten. Darf ich frei bei Papa über Mama reden? Und umgekehrt? Da verkrampft man schon als ganz junges Kind. Und man weiß genau, was man erzählen darf und was nicht, je nachdem, bei wem man gerade ist. Mein Exfreund und ich kriegen das gut hin, aber die Aggressionen sind da bei mir. Der unbedingte Wunsch, den für immer loszuwerden. Mit all den alten Mustern und Knöpfen, die er immer noch drückt. Ich könnte darüber wahnsinnig werden, wenn wir wieder in eine Falle tappen und uns benehmen, als wären wir noch zusammen. Mein neuer Mann kann das von außen immer sehr gut beobachten. Der merkt das auch früher als ich. Weil ich in Wirklichkeit, wegen dem Kind, keine richtige Trennung hinkriege, wie ich das sonst gerne habe, von hundert auf null, verfallen wir immer in unsere alten Beziehungsmuster. Schlimmschlimmschlimm. Ich kämpfe seit sieben Jahren dagegen an. Wir sollen uns gut verstehen, für das Kind, aber nicht zu gut, wegen dem neuen Mann, aber auch wegen mir! Scheißkompliziertes Patchworkleben.
Aber ich muss mich heute damit beschäftigen, ob mein Exfreund jetzt auch Würmer hat. Ob er indirekt durch Mundkontakt mit mir und meinen am Körper lebenden Wurmeiern, durch Küssen des Kindes, von mir angesteckt wurde. Ich muss zur Ausrottung der Eier in meiner Tochter dafür Sorge tragen, dass seine auch ausgerottet werden.
Es war schon mal vor acht Jahren mit diesem Exfreund eine Hochzeit geplant, und ich hätte auch Ja gesagt, also ist mein Exfreund im Kopf ganz heimlich bei mir innen drin: mein Exmann.
Wir planen die ganze Hochzeit, wollen alle Leute nach England, wo ich herkomme, einfliegen. Die Hochzeit soll auf dem Land bei London in einem alten, schönen Hotel stattfinden. Ganz groß. Der Standesbeamte kommt extra für uns raus. Das Kleid wird in Deutschland genäht, Maßanfertigung. Es setzt sich aus fünf antiken Hochzeitskleidern zusammen. Die Schneiderin soll die alten hellgelben, cremefarbenen und weißen Kleider aus Spitze auseinanderschneiden und in großen Karos wild wieder zusammensetzen. Und weil wir den Stoff von fünf Kleidern verarbeiten können, habe ich mir eine lange Prinzessin-Diana-Schleppe am Rock gewünscht. Als kleines englisches Mädchen dachte ich, die beste Hochzeit aller Zeiten war die von Prinz Charles und Lady Diana, ich hatte die Hochzeit von denen als Fotokinderbuch hundertmal angeguckt. Auch der Ehering soll so aussehen wie der von Diana. Der Rockteil meines Kleides wird so schwer, dass es an der Taille eine verstärkte korsettähnliche Halterung braucht, damit er während der Hochzeit nicht runterrutscht, mit all seinen Kilos. Ich muss mehrmals zur Anprobe.
Alles, was eine Braut und ihr Bräutigam
Weitere Kostenlose Bücher