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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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eigentlich nicht. Die meisten jedenfalls nicht. Und wenn er eine Sache nicht verlieren will zwischen uns, dann ist das die Sexualität, das ist unser fester Glaube, wenn das am Arsch ist, dann ist auch der Rest am Arsch, früher oder später.
    Ich halte die klebende Fingerspitze an mein Poloch und danach ganz nah an meine Augen. Wusste ich es doch! Ich habe vier von den Mistdingern erwischt, direkt beim ersten Mal. Im Internet stand, dass sie abends rauskommen und besonders jucken, weil sie sich auf der Rosette vermehren wollen. Zum Vermehren brauchen die frische Luft, wie wir. Ekelhaft! Mir wird schlecht, wenn ich sie so tanzen sehe, wie auf Speed zu Techno. Mann, sind das perverse Tiere. Ich fühle mich befallen, ich bin ein Wirt für Parasiten. Ich hasse es, Mutter zu sein. Aber genau so was gehört wohl voll dazu! Liza hat sich bei irgendeinem scheiß Kind in der Schule angesteckt, und dann hat sie’s an mich weitergegeben. Ja, oder umgekehrt, was weiß ich? Wie das so läuft?
    Ich klappe mit der sauberen Hand den Klodeckel zu, setze mich drauf und spüle ab. Okay, nachdenken. Ich kann bei diesem Gejucke unmöglich schlafen. Ich will die ganze Nacht aufbleiben, ich will diese Scheißdinger nicht in unserem Bett verteilen. Plötzlich fällt mir der letzte Satz meiner Tochter wieder ein! »Mama, mein Po juckt.« Die hat das auch, Scheiße, Scheiße, Scheiße. Kann man ein Kind mit Würmern in die Schule schicken? Wenn sie nicht in die Schule geht, kann ich nicht arbeiten, morgen früh. Wir können auch nicht in den Puff. Fuck. Wegen Kind und wegen Ansteckungsgefahr. Ich steck da alle mit Würmern an. Eigentlich ganz lustige Vorstellung. Was für eine Erleichterung. Danke, lieber nicht vorhandener Gott, also Mutter, in unserer Familie sind wir monotheistisch, danke für die Würmer. Ich kann nicht in den Puff. Daran, wie ich mich darüber freue, merke ich, was für eine Belastung diese Ausflüge eigentlich für mich sind. Ich gehe jetzt da raus und sage ihm, dass wir nicht in den Puff können. Super.
    Aber dass ich Würmer habe, finde ich trotzdem schrecklich. Ich beneide meine Tochter, sie liegt da und schläft, obwohl sie auch Würmer hat, höchstwahrscheinlich. Ich werde mit Sicherheit nicht einschlafen können. Ich habe das starke Bedürfnis, von meinem Mann getröstet zu werden, er soll mich bemitleiden und mir helfen. Was sollen wir jetzt machen, um 21.30 Uhr? Kein Arzt hat mehr auf. Damit fährt man ja nicht ins Krankenhaus.
    Ich zerquetsche die zappelnden Würmer an der gelben Wand, sie platzen auseinander, wie kleine ausgedrückte Pickelchen, ich nehme etwas Danke -Papier und wische sie weg, wickele den Tesa in das Klopapier und werfe es ins Wasser und spüle ab. Das ist zwar bestimmt schlecht für die Umwelt, geht aber jetzt grad nicht anders, weiß nicht, wohin mit vier toten Fadenwürmern, die aus mir rauskommen. Da muss mal kurz die Umwelt hintanstehen, ist ein Notfall.
    Ich verlasse das Wurmlabor. Komme ins Wohnzimmer und frage:
    »Juckt dein Po auch?«
    »Ja, manchmal, wieso?« Er lacht.
    Ha, mit seiner Frau wird es niemals langweilig. Die denkt sich jede Sekunde einen neuen Mist aus.
    Atemlos durch die Zeit.
    »Weil du dann auch Würmer hast.« Sehr subtil das Thema angegangen. Typisch ich.
    »Hab ich nicht. Was heißt das: auch? Du hast also Würmer? Woher weißt du das? Und unterstell mir nicht, dass ich deswegen auch welche habe, ja!«
    Oh, er ist richtig sauer, weil ich ihn mit in mein Wurmboot ziehen will. Ich sollte schnell nur noch von meinen Würmern sprechen, nicht von seinen, hab ich doch eigentlich in Paartherapie gelernt. Er will offensichtlich nicht mit mir zusammen Würmer haben.
    »Liza hat vorm Einschlafen so was gesagt, und jetzt juckt es auch bei mir wie verrückt. Ich habe gerade bei Wikipedia geguckt und den Tesatest gemacht.«
    »Ja, das kenn ich auch noch von früher, als ich Kind war. Wir hatten als Kinder ständig Würmer.«
    »Wir auch. Ich dachte, ich könnte das verhindern für mein Kind. Weil sie doch jetzt schon sieben Jahre ist und nie welche hatte. Ich dachte, wir kriegen nie welche. Das ist ja so ekelhaft. Die bewegen sich die ganze Zeit, davon juckt das so. Zum Glück schläft Liza wenigstens, dann kriegt die das nicht mehr mit. Ich kann doch nicht einschlafen und mich von denen auffressen lassen!«
    »Die fressen dich nicht auf. Du rufst jetzt in der Notapotheke an und fragst, ob du ohne Rezept Wurmmittel kriegst, du würdest das Rezept morgen nachreichen.«
    Gut,

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