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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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lange. Ist das schon Prostitution? Ist das die Vorbereitung auf die Ehe?
    Ich kann mir vorstellen, dass der einzige Grund, warum meine Stiefmutter mit meinem Vater zusammenbleibt, die finanzielle Sicherheit ist. Dass viele Ehen nur deswegen Bestand haben. Aber das ist doch nichts anderes als Prostitution, oder? Und zwar ganz schön billige Prostituierte, wenn ich das mal sagen darf, nicht pro Stunde bezahlt und auch nie richtig Cash auf die Kralle, sondern nur so für Essen und ein bisschen für Putzmittel. Und irgendwann, wenn sie Glück hat, das Erbe, dann ist sie endlich frei. Aber ich muss mal vor meiner eigenen Türe kehren. Ich will auch unbedingt als Allererstes einen Mann, der mich versorgt. Egal, wie viel ich verdiene, er muss mehr haben, wie feministisch ist das denn? Null. Ich bin immer in den Köpfen der anderen, unserer Nachbarn, Freunde, ich stelle mir vor, dass sie alle denken, ich sei nur wegen des Geldes mit ihm zusammen. Ich will das auch selber gar nicht entkräften. Kann schon sein, dass ich mich von Geld ficken lasse. Aber auch von Lebenserfahrung. Alter! Aber wenn es doch so gut funktioniert im Bett wie noch nie, ist das denn dann falsch? Geld gleich Stärke. Und Stärke ist ja wohl im Bett für einen Mann von Vorteil. Wie man ja bei uns sieht, verdammt noch mal, sieben Jahre Beziehung. Das ist für mich ein Wunder. Das hat meine Schlampenmutter nicht hingekriegt. Und gestern noch den geilsten Sex der Welt gehabt! Das hat die bestimmt auch nicht hingekriegt! Jetzt bin ich aber weit weg vom Thema Missbrauch, fällt mir auf.«
    »Ja, das sagt viel aus, Frau Kiehl.«
    »Sie meinen, mein Kopf macht das extra, schnell weg vom Thema, schnell ablenken. Gut, dann gehen wir eben wieder zurück, eine Sache fällt mir noch dazu ein: Ich beschütze mein Kind auch gegen ihren Vater und Stiefvater. Also gegen die virtuelle Gefahr des sexuellen Missbrauchs. Ich wurde so erzogen, in Sachen Pädophilie niemandem zu vertrauen. Die größte Bedrohung für ein Kind liegt ja in der eigenen Familie. Scheiß doch auf die paar Fremden im Park, die ein Kind wegschnappen, das ist so selten wie ein Lottogewinn, nur umgekehrt, so ein großes Pech muss man erst mal haben als Familie, wenn einem das passiert. Viel wahrscheinlicher, und das scheinen die meisten Menschen immer noch nicht zu kapieren, ist die Gefahr in der Familie und der engeren Umgebung. Und auch wenn es ganz selten mal vorkommt, dass Frauen Kinder sexuell missbrauchen, meistens sind es doch die Männer, wie auch bei Eifersuchtsmorden, immer die Männer, die Männer machen die Familie zu einem gefährlichen Ort für Frauen und Kinder. Nur bei uns in der Familie ist das anders, da ist eindeutig die Frau am gefährlichsten, auf jeden Fall für den Stiefsohn! Und wenn dann bei sexuellem Missbrauch in der Familie auch noch die Mutter wegschaut und nicht wahrhaben will, dass der eigene Mann, oder welcher männliche Verwandte auch immer, das Kind missbraucht. Das soll meinem Kind nicht passieren. Ich schleiche immer lautlos durchs Haus. Wenn mein Mann und meine Tochter verabredet sind, was zusammen zu machen, tue ich so, als würde ich was Eigenes machen in einer ganz anderen Ecke der Wohnung. Dann schleiche ich aber, wie ein Indianer im Krieg, die Mutter im Kampf gegen Pädophilie, in das Zimmer, in dem die beiden sich aufhalten, um ihn auf frischer Tat zu ertappen. Vertrauen ist gut, aber bei diesem Thema ist definitiv Kontrolle besser. Auch wenn ich sicher ausschließen würde, dass mein Mann meinem Kind was tut, aber das haben viele andere Mütter schon getan und sind gerade deswegen mit ihren Kindern in die Falle getappt. Nicht bei uns!
    Bis jetzt, die ersten sieben Jahre unserer Beziehung, habe ich nichts zu beanstanden. Aber es könnte ja sein, dass Liza in sein pädophiles Beuteschema reinwächst, und dann schlägt er zu, deswegen muss ich als Schutzmann meiner Tochter immer auf der Lauer sein, immer bereit, meine Beziehung zu verraten, für das Wohl des Kindes.
    So, das dazu. Immer diese lauernde Alarmstellung, hab ich alles von meiner Mutter geerbt, bestimmt weil die irgendeinen Scheiß nicht bearbeitet hat. Fuck. Themawechsel, ja? Liza fährt nächstes Wochenende zu ihrem Opa.«
    »Zu Ihrem Vater?«
    »Der ist nicht mehr mein Vater. Ich sage lieber: ihr Großvater. Er hat aber auch schon viele Geburtstage von ihr vergessen. Und so lang ist sie noch gar nicht auf der Welt!«
    »Und noch bemerkt das Kind die Probleme nicht?«
    »Nein, überhaupt nicht, sie

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