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Schossgebete

Schossgebete

Titel: Schossgebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Roche
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hab ich mich dran gewöhnt, an das Wissen über seine sexuellen Phantasien. Ich glaube, jetzt bin ich bald dran, ihn mit meiner echten Sexualität zu konfrontieren. All die Jahre habe ich gedacht: Er ist so besonders, weiß genau, was er will. Und ich weiß nichts. Aber jetzt weiß ich was, und das darf nicht sein, das erlaubt er mir nicht. Das kann man doch vergleichen mit all seinen Pornofilmen und Prostituierten, oder? Mein Wunsch, mit anderen Männern zu schlafen. Und zwar gerne vielen. Der einzige Unterschied, und da wird es für ihn schmerzhaft: Seine Phantasien binden mich immer mit ein. Ich soll mit in den Puff, Pornofilme nachspielen, mit ihm zusammen die Bilder anschauen. In meiner Phantasie mit den anderen Männern spielt er aber gar keine Rolle. Ich möchte gerne was für mich. Das merke ich immer stärker, zwischen den Beinen vor allem, aber auch im Hirn. Vielleicht überfordere ich ihn jetzt mal die nächsten sieben Jahre mit meiner grad entdeckten wilden Sexualität?
    Ich habe für morgen übrigens einen neuen heimlichen Notartermin gemacht. Ich muss Cathrin noch aus meinem Testament streichen, weil ich die doch bald verlassen will. Meine hoffentlich bald frühere beste Freundin. Was ist denn, wenn mir morgen was passiert? Ach, Quatsch, gleich, in Ihrem scheiß Aufzug, könnte ja schon was passieren, hier könnte auch ein Hubschrauber reinfliegen, und dann würde sie erben. Und das passt jetzt nicht mehr in meine Lebenssituation. Ich möchte, dass mein Exmann, mein Mann, meine Tochter und mein Stiefsohn alles bekommen. Die Eltern natürlich nur den Pflichtteil, mein Mann soll das regeln, dass meine Schwester genug bekommt.«
    »Ihr Testament kenne ich ja. Haben Sie mich eigentlich bitte wieder rausgenommen? Ich darf das doch nicht annehmen. Das haben wir schon besprochen, dass das von Patientin zu Therapeutin nicht geht.«
    »Und umgekehrt?«
    »Sehr witzig, Frau Kiehl, auch das nicht. Wenn Sie das noch nicht geändert haben, können Sie das ja in einem Rutsch mit erledigen, wenn Sie schon dabei sind.«
    »Hab ich schon längst. Was denken Sie von mir? Wenn Sie mir was sagen, mach ich das auch sofort. Ich denke doch die ganze Zeit, ich sterbe. Dann muss doch das Testament wenigstens stehen. Jedenfalls habe ich morgen, heimlich, Georg weiß nichts davon, wieder einen Notartermin. Sie wissen ja, meine Traumvorstellung, für wenn ich nicht mehr bin, ist, dass Liza von ihrem Stiefvater und ihrem Vater zusammen großgezogen wird. Das fände ich gut. Und ich meine das nicht so, wie Sie jetzt denken, dass mein Mann dann keine andere Frau haben darf. Ich habe ihm schon ganz oft gesagt, ich will, dass er sich so früh wie möglich wieder eine neue Frau nimmt. Ich hasse nämlich Tote, die aus dem Grab praktisch verbieten, dass ihr Witwer oder ihre Witwe jemand anderen haben darf, weil sie sich so wichtig nehmen und Treue nach dem Tod fordern. Das finde ich ekelhaft. Ich habe meinem Mann schon gesagt, dass er gerne schon mit einer Neuen zu meiner Beerdigung kommen darf. Der muss doch getröstet werden. Fickt euch, ihr Christen. Ich kenne nämlich nur Christen, die sich immer aufregen, wenn jemand nach dem Tod seines Partners irgendwann wieder jemand Neuen hat. Schlimm, diese Christen. Wirklich schlimm. Ich bin sehr für ganz schnell jemand Neuen haben. So schnell wie möglich.«
    »Ich weiß, Frau Kiehl, ich weiß das doch schon. Und warum gehen Sie heimlich zum Notar, ohne dass Georg das weiß?«
    »Hä, ja, weil der mich immer anmotzt, dass ich mich zu viel mit Tod im Allgemeinen und meinem Tod im Speziellen beschäftige. Finden Sie ja auch! Er sagt immer: Ja, Elizabeth, du stirbst aber nicht.«
    »Ja, stimmt, Sie sterben nicht so bald. Sie sind doch kerngesund. Und so etwas wie Ihren Brüdern passiert Ihnen höchstwahrscheinlich nicht.«
    »Das sagt mein Mann auch immer, Sie stecken wohl unter einer Decke, was? Ja. Jedenfalls habe ich den Termin morgen, direkt nach Ihnen.«
    »So, die Zeit ist auch schon rum, Frau Kiehl. Bis morgen dann und viel Spaß im Bordell, egal, was ich davon halte. Ja?«
    Das macht die doch auch geil, oder? Muss doch. Mein Mann sagt oft, die müsste mir eigentlich Geld geben, für die ganzen geilen Geschichten, die ich ihr immer erzähle. Andere würden dafür viel Geld bezahlen. Ja, ja, aber die würden nicht so kluge Sachen zurücksagen.
    Ich schwinge mich hoch, richte meine Haare. Manchmal habe ich eine sogenannte Therapiepläät, dann liegen die Haare am Hinterkopf so, dass man

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