Schossgebete
geschützt werden. Jahrelang waren wir deswegen in Therapie zusammen, damit mein Mann verstand, warum ich seinem Sohn ständig den Tod an den Hals wünschte.
Warum er bei mir geblieben ist, das mit mir durchgestanden hat? Mir ist das immer noch unbegreiflich, gerade weil ich mir nicht sehr liebenswert vorkomme, bin ich auch nachweislich in vielen Punkten nicht! Bis die Therapeutin mir das rausoperiert hat. Wie immer, bei allen Problemen, ging das so: Reden, reden, gnadenlos, vor allem mit mir. Ich beichte ihr, wie böse ich bin. Ich flehe sie an, mir das auszutreiben, damit ich nicht meine Liebe kaputt mache. Dass sie mir helfen soll, dieses liebe, hübsche, unschuldige Kind vor mir zu schützen. Das hat Jahre gedauert. Aber plötzlich, von einem Tag auf den anderen, war ich geheilt. Der Böse-Stiefmutter-Dämon war ausgetrieben. Dafür habe ich sehr viel Geld bezahlt und mir jahrelang den Mund fusselig geredet, gegen mich und meine Stiefmutter angeredet. In all der Zeit hat mein Stiefsohn immer wieder versucht Kontakt zu mir aufzubauen. Ich wollte es nie, aber er hat mir immer wieder seine Hand gereicht. Das hat alles nur noch schlimmer gemacht. Hat der denn kein Gedächtnis, konnte er sich denn nicht merken, dass ich ihn hasse? Max dachte sicher: Wenn mein geliebter Vater diese Frau so liebt, muss doch was dran sein an ihr. Er liebt mich und will unbedingt, dass ich ihn zurückliebe.
Meine Therapeutin hat immer gesagt, er spüre hinter meinen Ausrastern meine Not, er sehe es ganz klar, er wisse, dass ich das eigentlich nicht will. Ich wollte einfach vor mir selber nicht zugeben, dass ich ihn auch liebe. Ich dachte wirklich, es wäre nur Platz in meinem Herzen für ein Kind. Für mein Kind. Und dass dieses kleine männliche Wesen mir meinen Mann wegnimmt oder es sogar irgendwie zustande bringt, dass seine Eltern wieder zusammenkommen. Als Scheidungskind weiß ich ja, wie stark der Wunsch ist, die Eltern wieder zusammenzuhaben.
Seit ich dieses Problem mit Max überwunden habe, bin ich noch wütender auf meinen Vater und meine Stiefmutter. Sie haben sich nie Hilfe geholt. Er lässt es bis heute zu, dass meine Stiefmutter mich wegen ihrer Komplexe schlecht behandelt, dass sie eifersüchtig ist auf mich. Und versucht, so wie ich es lange bei meinem Mann versucht habe, meinen Vater von ihrer Sicht zu überzeugen. Ja. Nur dass mein Vater ihr nicht, wie mein Mann es bei mir getan hat, ein Ultimatum setzt: Entweder änderst du dich und überwindest deine Probleme mit dir selbst, oder ich verlasse dich. Nein, er bleibt schön bei ihr und lässt zu, dass sie fast dreißig verfickte Jahre einen Keil zwischen uns treibt.
Ich habe das nur drei oder vier Jahre getan. Was heißt nur? Vier Jahre zu viel. Vor allem für mein kleines Stiefkind. Und auch für meinen Mann. Meine Therapeutin hat mich dafür fertiggemacht, weil ich ihr, damit ihre Arbeit schneller fruchtet, auch alles Böse, was ich mache, schonungslos erzähle.
Wenn man lange in Therapie ist, sieht man Sachen an Leuten, die sie selber kein bisschen wahrnehmen. Sagen darf man es aber nicht. Man soll ja nicht an anderen rumtherapieren, man hat es ja nicht studiert, man ist nur selber in Behandlung. Frau Drescher sagt, auch meine Freundin müsse selbst drauf kommen, dass sie die Geschichte ihrer Mutter wiederholt, sie muss sich selber Hilfe holen. Die Mutter wurde von ihrem Mann geschlagen, das weibliche Vorbild der Tochter war die Opferrolle, und genau das sucht sie als erwachsene Frau jedes Mal und immer wieder in jeder einzelnen Beziehung zu ihren Männern. Und dann lamentiert sie aber über jeden neuen Prügelausraster, als wäre es ein riesiger Zufall, dass sie immer an die Falschen gerät. Als würde sie nicht aus lauter Masochismus genau die Falschen aussuchen. Zielsicher, immer wieder. In ihrer Wahrnehmung sind alle Männer Schläger. Nein, Baby, nur in deiner Welt, die du dir baust! Es gibt Frauen, die suchen sich Männer aus, die ihnen helfen, sie stark machen und aufbauen. Das weißt du gar nicht, wie das ist. Das wirst du aber nur mit viel Arbeit an dir selbst rausfinden können. Du meinst, du bist nicht so verrückt wie ich, du musst nicht in Therapie. Frag mal alle um dich herum, wie sie unter dir leiden, unter deinen Komplexen, deiner Wut, deinen Aggressionen, alles good will , aber wie lange noch?
Georg kommt lächelnd rein. Er scheint fertig zu sein.
»Und, was machen wir jetzt noch Schönes? Wir haben doch kinderfrei.«
»Weiß nicht, was willst
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