Schottische Ballade
los“, sagte Lion und umschloss Eneas’ Unterarm.
Laut fluchend ließ Eneas von Donald ab und versuchte energisch, die Hand abzuschütteln. „Wie könnt Ihr es wagen, mich anzurühren ...“
„Seid froh, dass ich Euch nicht den Arm dafür breche, dass Ihr die Witwe Eures Bruders den MacPhersons überlassen habt.“ Lions Stimme war leise, doch gefährlich angespannt, seine Augen funkelten vor Zorn. „Oder dass ich Euch blutig schlage, da Ihr Donald misshandelt, der lediglich seine Pflicht tut.“
Rowena, die Jahre zuvor Zeugin von Lions leidenschaftlichen Wutausbrüchen gewesen war, bewunderte nun seine Selbstbeherrschung. Dies und seine Größe und Stärke machten ihn zu einem gefährlichen Gegner.
Eneas war zu blind oder zu wütend, um die Gefahr zu spüren. Er presste die Lippen zusammen, riss sich los, um den nächstste-henden Mann anzurufen. „Wo ist der Earl?“
„Ausgeritten.“
„Dann werden wir warten, um unsere Ehrerbietung zu erweisen und zu hören, was der Earl zu unserer Unterbringung zu sagen hat.“ Eneas wandte sieh seinen Männern zu. „Sitzt ab und bleibt hier.“ Mit einem letzten feindseligen Blick auf Lion stapfte er die Treppe hinauf in die Burg.
Der Name, den Donald mit angehaltenem Atem hinter Eneas herrief, ließ Lion stillvergnügt lachen. „Ich weiß, Ihr seid ein wenig knapp an Platz, doch wir haben einen Verletzten bei uns.“ Er zeigte auf die Bahre, die seine Männer abgestellt hatten.
„Herzlich gerne würde ich meine kleine Kammer ab treten, um meine Dankbarkeit zu beweisen“, sagte Donald aufrichtig. „Doch Felis, die Kräuterfrau, hat ein kleines Gelass, wo sie Kranke behandelt.“
Lion nickte und gab seinen Männern den Befehl, Harry dahin zu bringen. Er runzelte die Stirn, als Rowena an die Bahre trat, um ihr zu folgen. „Es ist nicht nötig, dass du mitgehst. Felis ist sehr erfahren.“
Rowena warf ihm einen kalten Blick zu. „Harry gehört zu den meinen. Selbst wenn er nicht bei dem Versuch, mich zu schützen, verwundet worden wäre, würde ich mich um ihn kümmern.“ Mit hocherhobenem Kopf folgte sie der Bahre. Donald geleitete sie durch ein Gewirr von gut beleuchteten Gängen zu einem kleinen Gelass in der Außenmauer.
Die Kräuterfrau öffnete die Tür und befahl, Harry auf einen Strohsack nahe des Feuers zu legen. „Das ist eine tödliche Wunde, Mylady“, sagte sie bedeutungsvoll.
Rowena blickte auf den blutdurchtränkten Verband und runzelte die Stirn. „Ja, die Verletzung ist schwer, doch vielleicht, wenn man die Wunde näht und einen festen Umschlag auflegt, hört die Blutung auf.“
Die Alte nickte. „Es steht Euch frei, von meinen Dingen zu nehmen, was Ihr dafür braucht.“ Sie deutete auf den Arzneischrank in der Ecke. „Ich wurde ins Dorf gerufen, um bei einer Geburt zu helfen. Die Mutter hat ihr letztes Kind verloren, das arme Ding, daher kann ich nicht verweilen.“
„Sei unbesorgt. Ich habe Erfahrung in solchen Dingen. Dank dafür, dass ich deine Heilmittel verwenden darf und dieses Gemach.“
„Ja.“ Felis warf sich einen Umhang über. „Jeder Freund von Lion verdient meine Hilfe“, sagte sie, ehe sie ging.
Rowena blickte ihn düster an.
„Kann ich irgendetwas tun?“ fragte Lion hoffnungsvoll.
„Nein. Ich brauche nichts von dir.“
„Ich kenne mich ein wenig aus mit Verletzungen. Und ich weiß, dass du dich durch den Anblick von Blut immer unwohl fühltest. Ich könnte ...“
„Ich habe meine Scheu vor Blut überwunden“, sagte sie rundheraus.
Lion presste die Lippen aufeinander. „Ich werde trotzdem bleiben.“
„Ich würde es vorziehen, wenn du es nicht tätest, indes, ich bezweifle, dies hat Einfluss auf dich.“
„Nein. Denn solange du auf Blantyre bist, stehst du unter meinem Schutz.“
„Ich glaube nicht, dass ich in irgendeiner Gefahr bin. Du suchst lediglich eine Ausrede, um ... um mich zu behelligen“, vollendete sie. Sie vermied es, die Spannung, die sich zwischen ihnen aufzubauen begann, zu beachten.
„Viele der Männer, die dem Aufruf des Earls gefolgt sind, sind von der schlimmsten Sorte. Der Abschaum der Highlands. Sie haben keine Ehre und kein Gewissen. Vergib mir, wenn ich nicht möchte, dass du einem von den MacPhersons in die Klauen fällst.“
Mit einem Schauder erinnerte sie sich an das, wovor er sie bewahrt hatte. Doch Vergebung fiel nicht leicht. „Ich habe nicht die Zeit, darüber zu richten.“ Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Harry zu. „Er hat viel Blut verloren, ich
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