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Schottische Ballade

Titel: Schottische Ballade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Barclay
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Halle. Auch wenn sie seine Schritte nicht hören konnte, war sie sich bewusst, dass er hinter ihr blieb. Als sich die Gänge kreuzten, hielt sie an.
    „Die Große Halle ist zu deiner Linken.“
    Rowena schniefte verlegen und ging weiter, um Eneas zu finden. So wenig Lust sie auch verspürte, den hinterlistigen Kerl zu sehen, so musste sie doch herausfinden, welche Pläne er für ihre Unterbringung hatte. Mit ein wenig Glück hatte er schon mit dem Earl gesprochen und den Zeitpunkt für den Eid auf den Morgen vereinbart. Gebe Gott, dass sie bald wieder abreisen konnten, denn in Lions Nähe zu sein grenzte an das Unerträgliche.
    „Warum bist du nach Blantyre gekommen?“ wollte er wissen. „Ich habe eine Angelegenheit mit dem Earl zu regeln.“ Rowena beschleunigte ihre Schritte. Als sie um die nächste Ecke bog, hörte sie gewaltigen Lärm, Schreie, Gebrüll, Gelächter und ... und war das nicht das Bersten von Holz? Es drang durch eine mit Eisen beschlagene Doppeltür am anderen Ende des Ganges. „Die Große Halle?“ fragte sie schwach.
    „Dieselbige.“ Lion trat an ihre Seite. „Wir könnten das Abendbrot in meinem Gemach einnehmen.“
    „Gewiss nicht. Ich habe nicht den Wunsch, mit dir zu sein. Ich muss nach meinen Clansleuten sehen.“ Eneas so zu nennen war ihr zuwider. „Und meine Ehrerbietung dem Earl bezeugen.“
    „Vielleicht möchtest du warten, bis du gebadet bist und ein frisches Gewand angelegt hast.“
    Rowena blieb stehen und sah auf ihr Kleid hinab. Nach fünf Tagen im Sattel und einem weiteren, den sie zusammengekauert auf dem Boden verbracht hatte, war es nicht mehr das beste. „Irgendwo habe ich einen Packen mit sauberen Sachen.“
    „Warum wartest du nicht bis morgen? Alexander hat wahrscheinlich bereits tief in den Becher geblickt und ...“
    „Nein. Ich möchte meine Angelegenheiten so schnell wie möglich vollenden. Ich will nicht eine Minute länger als nötig auf Blantyre verbringen.“
    „Ein weiser Entschluss. Die Männer hier sind barbarisch.“
    Sie traf Lions offenen Blick. „Du sagst das zum wiederholten Mal. Bist du auch ein Barbar geworden?“
    „Ich hoffe nicht.“ Sein Lächeln war unwiderstehlich wie immer.
    „Warum bist du auf Blantyre?“
    „Ich habe, so wie du, Angelegenheiten zu regeln.“
    Sie bemerkte die Ausflucht. Er war schon immer sehr geschickt im Umgang mit Worten gewesen. „Ich verstehe. So hoffe ich, dass ich meine umso rascher abschließen kann, denn dann kann ich es sein, die dich verlässt.“ Als Schmerz seine Augen verdunkelte, begann ihr Herz, heftig zu pochen. Warum? Warum hast du mich ohne ein Wort verlassen? Nein, sie wollte es nicht wissen. Sie reckte das Kinn. „Gehen wir nun in die Halle, oder tauschen wir böse Worte aus?“
    „Die Schleudern und Pfeile der Empörung gehören dir allein, Mädchen“, sagte er friedfertig. „Ich möchte Frieden zwischen uns haben.“
    „Das kann niemals sein.“ Rowena rauschte an ihm vorbei und riss die Tür auf. Eine Woge von Licht und Lärm ließ sie in ihrem Schritt innehalten. Blinzelnd überblickte sie die Große Halle.
    Sie war weitaus größer als jene von Hillbrae. In ihr waren mehr Menschen, als sie je zuvor an einem Ort gesehen hatte - schöne Frauen und starke Ritter. Sie lachten und schrien, sangen und tanzten zu dem lärmenden Klang von zwei Dudelsäcken. Das Licht der Fackeln umspielte seidene Gewänder in gleißenden Farben. Die Damen waren mit funkelnden Edelsteinen geschmückt.
    Rowena zog sich zurück und strich über ihre zerknitterten Röcke. „Ich muss einen schlimmen Anblick bieten“, sagte sie.
    „Das Angebot für mein Gemach gilt weiterhin.“
    „Niemals“, sagte Rowena.
    „Nun gut, wer kann einen Mann dafür verurteilen, es versucht zu haben.“ Er lächelte und zog seine Augenbrauen hoch. „Lass dich wenigstens ein bisschen sauber machen, ehe du den Harpyien entgegentrittst.“ Er hob ihr Kinn, noch ehe sie sich von ihm abwenden konnte, zog ein Leinentuch aus seiner Tunika hervor, befeuchtete es mit seiner Zunge und betupfte damit ihre Wange. „Halt still“, mahnte er, als sie versuchte, sich ihm zu entwinden. „Nun, du siehst immer noch aus wie ein kleines Mädchen, das im Schlamm spielte, doch du willst es ja so haben“, sagte er aufmunternd.
    „Ich danke dir so sehr.“ Rowena stieß seine Hand beiseite, wandte sich um und trat in die Halle ein. Sie war zu verärgert über ihn, um die überraschten Blicke, die man ihr zuwarf, zu bemerken. Zu spät wurde ihr

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