Schottische Ballade
bewusst, dass er sie mit Absicht wütend gemacht hatte, um sie vergessen zu lassen, beschämt oder eingeschüchtert zu sein. Warum konnte er sie nicht in Ruhe lassen?
Zwei Männer tauchten plötzlich vor ihr auf. Die Hände hatten sie jeweils um den Hals des anderen gelegt. „Nimm das zurück“, schrie einer und schüttelte den anderen so, dass seine Zähne klapperten.
„Das werde ich nicht.“ Sein Gegner schlug mit der Faust zu. Sie verfehlte das Kinn des Mannes.
Rowena rang nach Atem und machte sich auf einen Zusammenprall gefasst.
Lion riss sie aus der Reichweite der beiden Streithähne. „Pass auf, wohin du gehst.“ Er führte sie hinüber zu einem Tisch nahe am Kamin, zog unter dem Tisch eine Bank hervor und bot ihr höflich Platz an, ehe er sich selbst setzte.
„Ich nehme an, ich sollte dir danken.“
„Nur, wenn deine Dankbarkeit aufrichtig ist. Hast du Hunger?“ fragte er. Das Kinn in seine Hand gestützt, warf er ihr ein freundliches Lächeln zu.
Rowena zuckte mit den Schultern und sah sich nach den Zechern um. Die dunkle Seite der Lustbarkeit trat vor ihre Augen. Die beiden Männer, die sie beinahe zu Fall gebracht hatten, rollten nun auf dem Boden. Sie sah einen Dolch in der Hand des einen aufblitzen, doch keiner der Umstehenden machte den Versuch dazwischenzutreten. Vielleicht, da viele von ihnen ebenfalls betrunken waren. Einige waren an den Tischen bereits eingeschlafen, und ein anderer lag schnarchend unter einer Bank. Niemand kümmerte sich darum.
Sie wandte ihren Blick ab, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein großer Mann eine Magd an sich riss, sie über seine Schulter warf und mit ihr die Halle verließ. „Warum hält ihn keiner auf?“
„Es wäre einer gegen Hundert, und die meisten sind so betrunken, dass sie nicht mehr bei Verstand sind.“
„Und wo sind deine Leute?“
„Draußen. Keiner von uns hat etwas für die Unterhaltung übrig, die in diesen Tagen auf Blantyre geboten wird.“
„Doch ..." begann Rowena, dann seufzte sie und blickte auf ihre Hände. Sie hatte denselben Kampf gefochten, als sie das erste Mal nach Hillbrae gekommen war, denn die Gunns waren eine wilde und rohe Horde gewesen. Padruig allein konnte sie zügeln, außer wenn sie sich betranken. Rowena hatte die Mädchen in ihren Söller gesperrt, wenn die Männer zechten. Diese Männer waren noch schlechter als die Gunns, davon war sie überzeugt. Ihr Blick kehrte zu den beiden Kampfhähnen zurück. Einer von ihnen lag blutend am Boden, während der andere seelenruhig den Geldbeutel seines Opfers plünderte. Als sie das sah, erschauderte sie.
„Das ist kein Ort für dich, Mädchen. Lass mich eine Eskorte für dich zusammenstellen, um dich morgen nach Hause zu bringen.“
Rowena schüttelte den Kopf, sosehr sie auch gehen wollte. „Ich kann nicht fort, solange meine Mission nicht erfüllt ist.“
„Mylord.“ Eine plumpe, hausbackene Magd trat an den Tisch und stellte ein mit einem Tuch bedecktes Speisebrett ab. „Hier sind die Speisen, um die Ihr den Koch für Euch und die Lady gebeten habt.“
„Meinen Dank, Mairi.“ Mairi warf Rowena einen neidvollen Blick zu, dann eilte sie fort. Dabei erwehrte sie sich einiger Dutzend Hände, die sie zu fassen suchten.
„Du hast zahlreiche Freunde unter der Dienerschaft.“
„Die besten ... wenn ein Mann gut zu essen gedenkt.“ Er zog das Tuch von dem Speisebrett. „Der Koch macht ausgezeichnete in Teig gehüllte Fleischgerichte.“ Er nahm eine davon und drehte sie zwischen den Fingern. „Heiß sind sie auch. Lass mich sie halten, oder du verbrennst dir die Finger.“ Benommen von dem Duft, tat Rowena wie ihr geheißen. Sie beugte sich vor und nahm einen großen Bissen. Er schmeckte köstlich, die Kruste war locker, das Fleisch saftig. Erst als sie den dritten Bissen gegessen hatte, wurde ihr bewusst, dass sie Lion aus der Hand aß. Sie lehnte sich zurück und sah ihn stirnrunzelnd an. „Du hältst dich wohl für sehr schlau, wie?“
„Es wird sich zeigen, ob ich schlau genug bin“, sagte er unbeschwert.
Um was zu tun? Sie verführen? Wahrscheinlich wollte er es versuchen, und doch ... Rowenas Blick verdüsterte sich. Sie spürte die geheimnisvolle Bedeutung seiner Worte. Sie kannte ihn als klugen Burschen von achtzehn Jahren, doch sie fühlte, wie die Zeit, die er in fernen Landen verbracht hatte, seinen Verstand geschärft hatte.
„Lion!“ rief eine kräftige Stimme über den Lärm in der Halle hinweg. Das Gelächter verstummte, wie
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