Schottische Ballade
auch das Klagen der Dudelsäcke.
Jeder, auch Rowena, blickte zur Tür. Dort stand ein großer dunkelhaariger Mann. Sein muskulöser Körper war in Samt gekleidet und mit Goldketten behängt. Die hoheitsvolle Haltung seines Hauptes, als er stolz den Blick durch die Halle schweifen ließ, bestätigte ihren ersten Gedanken.
„Der Earl“, hauchte Rowena.
„Bedauerlicherweise ja“, sagte Lion leise.
Alexander Stewarts bohrender Blick fiel auf ihr Mahl. „Lion! Ich brauche Euch.“
Lion seufzte und erhob sich. „Ich bedauere, dass ich dich verlassen muss.“ Er nahm ihre Hand, seine Lippen verweilten einen Augenblick mit sanftem Kuss. Seine Augen blickten wie gebannt in die ihren. „Einer meiner Männer wird bei dir bleiben.“
„K...kannst du mich nicht dem Earl vorstellen?“ fragte sie.
„Lion!“
„In seiner derzeitigen Stimmung würde es mehr schaden als nutzen.“ Lion verbeugte sich höflich, dann schritt er hinüber, um den königlichen Prinzen zu treffen, der ihn mit sich fortzog.
Gerade diesen Augenblick musste Alexander für eine Unterredung wählen, dachte Lion, als er grimmig dem Earl über den Burghof in den uralten Turm folgte, den die Shaws vor einem Jahrhundert erbaut hatten. Sie schritten die Wendeltreppe hoch zur Alten Halle, wo einst die Führer der Shaws herrschten. Hier traf sich der engste Kreis von Alexanders Vertrauten, um zu trinken und sich zu beraten.
In dem in der Mitte des Raumes erbauten Kamin brannte ein schwaches Feuer, doch ein gutes Dutzend Fackeln in Wandhaltern ließ den Raum in seiner ganzen Größe erstrahlen. Alexander hasste dunkle Ecken, wo Mörder auf ihn lauern konnten. Zehn Männer des Clans Stewart, die persönlichen Leibwächter des Earls, saßen an einem der Schragentische, würfelten und tranken. Die anderen Tische waren von den Anführern der anderen Clans, die bisher gekommen waren, um Alexander zu dienen, besetzt: die Keiths, Chisholms, Mackintoshes, Cummings und natürlich die MacPhersons.
Als Lion neben dem Earl eintrat, sprang Georas MacPherson auf und stieß dabei die Bank, auf der er gesessen hatte, um. „Glenshee!“ Seine Hand fuhr an das Heft des Schwertes. „Ich verlange Genugtuung.“
„Nenne den Ort und die Stunde“, sagte Lion kühl.
„Was hat dies zu bedeuten?“ rief Alexander.
Georas knurrte: „Er hat mich bei der Jagd angegriffen.“
„Nicht ohne Grund.“
„Zum Teufel damit. Ich habe dir nichts getan“, schrie Georas.
„Nicht mir, nein, doch der Lady ..."
„Ich habe die Dirne zuerst gesehen. Du hattest kein Recht, dich einzumischen.“
„Was soll das? Zwei meiner besten Männer streiten sich wegen einer Dime?“ sagte der Earl.
„Keine Dime, eine Lady“, sagte Lion grimmig. „Und du hast Unrecht, Georas. Ich hatte jedes Recht dazu, dir Einhalt zu gebieten. Lady Rowena ist bloß fünf Meilen von Kinduin entfernt aufgewachsen. Ich kenne sie seit Jahren. Ich kann nicht tatenlos Zusehen, wie irgendeine Lady geschändet wird, noch viel weniger eine, die ich ...“
„Geschändet!“ Georas MacPhersons Gesicht lief scharlachrot an. „Sie begehrte mich. Ich weiß das. Sie brauchte nur ein wenig Überzeugung, wie die meisten Weiber.“
„Überzeugen wolltest du sie?“ fragte Lion mit einer Sanftheit, von der seine Männer wussten, dass sie gefährlicher als jedes Brüllen war.
„Ja, und ich verlange ein Stück von deiner Haut, um die zu ersetzen, die du mir von der Hand gehauen hast.“
„Beruhigt Euch, Georas. Ihr dürft nicht vergessen, dass unser Lion ritterlicher ist als die meisten“, sagte der Earl und hoffte, dadurch die Lage zu beruhigen.
Lion wusste, Alexander würde Georas nicht maßregeln, da dieser Hunderte der ruchlosesten Krieger in den Highlands befehligte. Andere vielleicht fürchteten den Befehl, eine Mordtat zu begehen oder Land zu verwüsten, die MacPhersons indes waren begierig darauf. Wahrscheinlich war es Georas selbst gewesen, der Padruig gemeuchelt hatte. Nein, der Earl konnte es sich nicht erlauben, den Anführer der MacPhersons vor den Kopf zu stoßen. Doch auch die Sutherlands wollte er nicht verlieren, sann Lion nach.
Sein Clan war größer und wohlhabender, und sein Land lag strategisch günstig. Alexander hatte erfolglos versucht, Lucais, Lions Vater, für seine Sache zu gewinnen. Er war begeistert, als der Erbe von Kinduin in seinem Lager auftauchte, ohne zu vermuten, dass er einen Spion willkommen hieß.
„Verflucht sei seine verdammte Ritterlichkeit“, knurrte Geo
Weitere Kostenlose Bücher