Schottische Ballade
Glenda, einer Frau mit großem Vermögen. Freundlich, doch hausbacken, mit einem langen, knochigen Gesicht und braunen Haaren. Sie saß zusammen mit Selena MacPherson an einem entfernten Tisch und knobelte mit dem Becher.
Lady Glenda sah auf, erhaschte den Blick des Earls und verließ sofort das Spiel, um ihm Gesellschaft zu leisten. „Ihr verlangt nach mir, Mylord?“ sagte sie mit ihrer sanften Stimme.
„Nein“, sagte Alexander abwesend. Deutlich war der verletzte Ausdruck der Lady zu erkennen. Er hatte sie verführt, ihr den Hof gemacht, um Zugang zur Burg zu erlangen. Sein Interesse an ihr schien zu schwinden, denn er behandelte sie von Tag zu Tag mit weniger Achtung.
„Was ist mit Euch, Lord Lion?“ erkundigte sich Selena schelmisch. „Gibt es nichts, was Ihr begehrt?“ Das verführerische Blitzen in ihren blauen Augen ließ keinen Zweifel bei ihm offen, sie würde jede seiner Sehnsüchte befriedigen. Sie war atemberaubend schön, ihr rotes Haar bildete einen vollkommenen Gegensatz zu ihrer blassen Haut. Selena war erst kurz zuvor nach Blantyre gekommen, doch ging bereits das Gerücht um, dass sie eine geschickte und einfallsreiche Bettgesellin sei. Hätte sie ihn einen Tag zuvor angesprochen, wäre Lion geschmeichelt gewesen. So, wie die Dinge lagen, fühlte er nur geringes Interesse an den üppigen Formen, die sie an ihn drückte, und noch weniger an den sinnlichen Versprechungen in ihren Augen.
Lion lächelte kühl. „Leider, Mylady, muss ich an diesem Abend dem Earl zur Verfügung stehen.“ Damit verbeugte er sich vor Selena und zog die unglückliche Lady Glenda beiseite. „Wenn die Gemächer Eurer Schwester noch unbesetzt sind, könnte Mylady Rowena sie während ihres Aufenthaltes hier bewohnen?“
„Nun ... ich möchte nicht kleinlich erscheinen, doch Annie legt großen Wert auf ihre Sachen und ..."
„Und Ihr wollt nicht erleben, dass etwas davon von einer unverantwortlichen Dirne missbraucht wird.“ Er blickte dabei zu Lady Selena, die sich eng an den Earl schmiegte, als sie seinen Becher mit Bier füllte. „Rowena ist meine Dame, und sie hat nicht die geringsten Absichten auf einen anderen Mann.“
„Dann wäre ich erfreut, wenn sie das Gemach benützen würde.“
„Sie ist in der Großen Halle, wenn ich eine Nachricht senden kann ...“
„Ich selbst werde gehen.“ Lady Glenda blickte zu Alexander. In ihrem Blick lag mitleidsvolle Sehnsucht, dann verließ sie den Raum.
Lion verbeugte sich vor dem Earl. „Dann bis zum Morgen, Mylord“, sagte er, ehe er den Saal verließ. Bei jedem Schritt war er sich des hasserfüllten Blickes von Georas bewusst. Als er auf den düsteren Flur hinaustrat, stolperte Lion beinahe über Bryce.
„Was tat er, um Lady Glenda so aufzubringen?“ fragte Bryce und starrte der davoneilenden Dame hinterher.
„Er missachtet sie, nun, nachdem er erreicht hat, was er wollte Blantyre steht unter seinem Befehl, und ihre Shaws reiten unter seinem Banner.“
„Doch sie sehnt sich nach ihm, schwärmt für jedes seiner Worte und jede seiner Launen. Erkennt sie nicht, welch wertlose Kreatur er ist?“ brummte Bryce.
„Beruhige dich, mein Freund, ich weiß, du bist ihr zugetan.“ Mehr als das, er fürchtete, Bryce könnte der Lady verfallen sein. „Doch wir haben dringendere Angelegenheiten zu erledigen.“ Während sie die Stufen des alten Turms hinabschritten, erzählte Lion seinem Vetter von der bevorstehenden Ankunft der MacNabs und der Gefahr, in der sich Rowena befand. „Ich habe Lady Glenda gebeten, ihr das Gemach von Lady Annie zu geben. Das ist alles, was ich für heute Nacht tun kann - das und zwei Männer bereitzustellen, die vor ihrer Tür Wache halten. Morgen muss ich sie davon überzeugen, von hier fortzugehen.“
„Und die MacNabs?“
„Darum werden wir uns im Laufe der Nacht kümmern.“
4. KAPITEL
Rowena hatte das Bier ausgetrunken und stellte den Becher zur Seite.
„Mehr?“ erkundigte sich Sim, der hinter ihr stand, bereit, sie zu bedienen.
„Nein. Ich bringe keinen Bissen oder Trunk mehr hinunter.“ Sie betrachtete die verbliebenen Reste der Fleischspeisen. „Obgleich es sehr köstlich war.“
„Ja. Lady Glenda führt eine gute Küche, doch ich muss mich für die Gesellschaft entschuldigen“, fügte Lions Knappe hinzu. Seine Bemerkung wurde durch wildes Grölen und Rufen der Betrunkenen unterstrichen.
Rowena zuckte zusammen und wandte ihren Blick zur Mitte der Halle. Man hatte die Tische weggeräumt, um Platz
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