Schottische Ballade
das wirklich denkst, ist es vielleicht Zeit, zu verschwinden.“
Ein schwaches Kratzen war von draußen zu hören. Beide Männer blickten zum Fenster hin, das offen war, um Luft in den stickigen Raum zu lassen. Er lag im zweiten Stock des Angus Tower, dem ältesten Teil von Blantyre, und war das Gemach des Burgherrn, des ersten Lord Shaw, gewesen. Die Steine des Turmes waren ausgehöhlt und erleichterten das Klettern. Mehr als einmal hatte Lion das Gemach auf diesem Weg verlassen, wenn er sich im Geheimen mit seinen Mannen treffen wollte. Genauso konnte man ihn dazu nutzen, zu lauschen und zu beobachten.
Lion legte zur Warnung einen Finger auf seinen Mund.
Bryce nickte, und sie senkten ihre Stimmen zu einem Flüstern. „Wir haben etwas über dein Schaf erfahren.“ Lauter fügte er hinzu: „Ich habe den Abend beim Tanze mit Mistress Jean Shaw verbracht.“
„Ah, ein hübsches Mädchen. Bloß um dir die Zeit zu vertreiben, oder hast du an ihr Gefallen gefunden?“ fragte Lion, während er zum Fenster kroch.
„Oh, sie ist recht nett, doch kein Mädchen für mich. Zu jung und flatterhaft.“
Den Dolch in der Hand, schwang sich Lion auf die Fensterbank und blickte hinaus. Eine fette rotbraune Katze starrte ihn an. „Es ist bloß eine Katze.“
Die Katze zuckte missbilligend mit dem Schwanz und setzte ihren Weg fort.
„Trotzdem sollten wir besser auf unsere Zungen achten.“
Lion nickte und genehmigte sich noch einen Schluck. „Was ist mit dem Schaf?“ flüsterte er mit einem leichten Zwinkern.
„Es ist gesund und munter. Zwei Schafe und ein Lamm.“
Die Schafe waren wirklich Schafe. Das Lamm war Colin Ross. „Was ist in die Burschen gefahren, Schafe mitzunehmen?“ sagte er.
„Zweifellos hatten sie es satt, getrocknetes Fleisch und Gerstenkuchen zu essen.“
„So hatten sie also keinen Ärger?“
„Nein, der Schlüssel brachte sie durch die Ausfallspforte herein und wieder hinaus, ohne dass jemand etwas merkte. Die Narren von Stewarts hatten nur einen Mann aufgestellt, der den Kerker bewachte. Ein rascher Schlag auf den Kopf, und er ging zu Boden. Colin war frei, und es wurde kein Blut vergossen. Was könnte gefälliger sein?“
„Man hatte von der Folterbank gesprochen. War der Junge schlimm zugerichtet, ehe unsere Leute zu ihm kamen?“
„Ein paar blaue Flecken. Und er war zu Tode erschrocken über die Drohungen, was man mit ihm alles tun würde. Diese Schurken.“
„Ja“, sagte Lion abwesend. Seine Gedanken waren bereits woanders. „Was ist für die morgigen Spiele geplant?“
„Nichts. Nachdem du die Halle verlassen hattest, erklärte der Earl, wir müssten alle ausreiten, um nach Colin zu suchen.“
Lion holte tief Luft. Seine Männer mussten gewarnt werden, ihr Lager tiefer in die Hügel zu verlegen. Vielleicht sollte er sie auch zu seiner Festung nach Glenshee zurückschicken. Verdammt, er hasste es, sie oder den Jungen über offenes Gelände fortzuschaffen, während der Earl und seine Suchtrupps durch das Gelände ritten. „Wann geht es los?“
„Bei Tagesanbruch.“
Es gab also keine Zeit zu verlieren. Er konnte nicht riskieren, einen Mann hinunter ins Dorf zu schicken, denn Alexander hatte befohlen, die Wachen zu verdoppeln.
„Übrigens, da wir noch wach sind, könnten wir nach Red Wills
Hund sehen. Der Kerl ist schon wieder durchgebrannt.“
Lion lächelte und entspannte sich. Der kleine Terrier war dazu abgerichtet, Nachrichten zwischen der Burg und den Stallungen im Dorf hin und her zu tragen, wo Roderick Sutherland beim Hufschmied arbeitete. Er würde den Männern Nachricht geben, sich zurückzuziehen.
„Nun denn, es sieht so aus, als hätten wir einen Tag mehr, unser Können für die verbleibenden Spiele aufzufrischen. Georas wird sich wahrscheinlich für den Ringkampf melden.“ Der Bastard hatte bereits zwei Männer mit bloßen Händen getötet. „Sieh zu, dass keiner unserer Männer dazu überredet wird, gegen ihn anzutreten. Speerwerfen ist eine andere Sache. Wir werden bei der ersten Gelegenheit in die Hügel reiten und dort üben, ohne dass einer der anderen Clans uns dabei zusehen kann.“
Bryce lächelte und zwinkerte ihm zu, da er wusste, es galt auch noch andere Dinge dort auszuführen. „Das scheint mir eine gute Idee. Ein wenig frische Luft wird uns gut tun.“
„Wir werden sehen, ob Lady Rowena gerne mit uns reiten möchte.“
Bryce runzelte die Stirn. „Ist das weise?“
„Weise?“ Lion hob den Kopf. Er erinnerte sich an ihre
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