Schottische Ballade
wird?“
„Manchmal ist der sicherste Angriff, keinen Angriff zu führen“, sagte Lion. Er wusste, wo die Pergamente lagen, und würde bald etwas unternehmen, sie in die Hände zu bekommen. „Mitt-lerweile werden wir unsere eigenen Kräfte stärken. Wenn es zum Äußersten kommt und der Wolf zuschlägt, dann können wir entweder die Opfer in Sicherheit bringen oder sie beschützen.“
„Dann willst du ihn also bekämpfen? Denkst du nicht an die Gefahr?“
„Wenn alles gesagt und getan ist, würde ich lieber als Verräter gebrandmarkt werden, als untätig zuzusehen, wie unschuldige Menschen abgeschlachtet werden.“
„Ein Amen darauf“, sagte Robbie fest. Er trat zur Seite, als zwei MacPhersons mit gekreuzten Klingen vorbeistürmten. „Was du auch immer beabsichtigst, meine Männer und ich sind auf deiner Seite.“
„Das freut mich“, sagte Lion abwesend. Er sah zu Alexander, der auf seinem schwarzen Streitross saß und sie beobachtete. „Doch ich denke, es ist besser, wir werden nicht zusammen gesehen. Er verdächtigt mich und ist deiner nicht sicher.“
Robbie nickte. „Es wird ohnehin Zeit, dass ich zu meinen Männern komme, denn ich sehe, die deinen beginnen, die meinen zu verprügeln.“ Er verneigte sich höflich und wandte sich ab, um wegzugehen.
„Dein Dolch.“ Lion machte zwei rasche Schritte auf ihn zu. Hinter sich vernahm er ein Zischen und einen dumpfen Schlag.
„O nein!“ schrie Robbie.
Lion wandte sich um und sah einen Pfeil, der aus dem Stroh herausragte, in Brusthöhe an der Stelle, wo er zuvor stand. „Verdammt.“ Er wirbelte herum, zog seine Klinge und duckte sich.
„Jemand versuchte, dich zu töten.“ Robbie war bereits neben ihm und hatte ebenfalls das Schwert gezogen.
„Ja.“ Lions Blick schweifte suchend über das von Menschen wimmelnde Feld und verharrte bei den Gunns am anderen Ende.
Eneas gab seinen Männern für den Ritt nach Hillbrae letzte Anweisungen. Clem stand neben ihm. Dunmore beobachtete die Gruppe am Rand, denn er würde nicht mitgehen. Kier und Harry waren wahrscheinlich an Rowenas Seite. Keiner der Gunns hatte einen Bogen oder blickte in Lions Richtung. Doch es würde leicht sein, den Pfeil abzuschießen und dann die Waffe ins Gras fallen zu lassen.
Bryce stürmte herbei, Red Will und ein Dutzend Sutherlands hinter ihm. „Was ist geschehen?“
„Euer Laird wurde beinahe getötet.“ Robbie erhob sich und wies auf den Pfeil im Stroh. „Es kann Zufall gewesen sein, bei dem ganzen Durcheinander.“
„Nein“, sagte Bryce und starrte die Männerschar an. „Es ist das dritte Mal, dass jemand ihn angriff. Ich sagte dir, du sollst nicht hierher kommen, wo wir dich nicht schützen können.“ Lion schnaufte verächtlich. „Es war bloß ein Zufall.“
Heckie zog den Pfeil heraus und betrachtete den Schaft. „Es ist einer der unseren.“
„Verdammt“, sagte Lion leise.
Bryce stieß einen Fluch aus. „Jemand hat das genau geplant, um jede Beschuldigung von sich abzuwenden.“
„Eneas ist schlauer, als ich dachte“, sagte Lion.
„Ist er deiner Vermählung mit der Witwe seines Bruders abgeneigt?“ wollte Robbie wissen.
„Er hat noch andere Gründe, um mir Böses zu wollen, doch ich habe keine Beweise, um ihn öffentlich zu beschuldigen.“
„Lion, ich möchte mit Euch sprechen.“ Alexander war über das Feld herangeritten und starrte ihn von oben herab an.
„Ich stehe zu Eurer Verfügung.“
Alexander rümpfte die Nase, dann schwang er sich aus dem Sattel und reichte Bryce die Zügel. „Lasst uns ein Stück gehen.“ Lions Sinne waren aufs Äußerste gespannt, und er glich sich dem ungeduldigen Schritt des Earls an. Die Sorge zehrte an ihm den ganzen Weg bis zum Rande der Hochebene, auf der Blantyre erbaut war.
Der Earl blieb stehen und wandte sich Lion zu. „Habt Ihr Iain Ross gewarnt, dass wir kommen würden?“ fragte er.
Dank all der Jahre, in denen er seine Selbstbeherrschung erwarb, blieben Lions Züge unbewegt, als er antwortete: „Wie konnte ich das, Mylord, wenn ich die ganze Nacht todkrank im Bett lag.“
„Und Eure Männer?“
„Waren mit Euch, so wurde mir berichtet.“
„Ja.“ Alexander wandte seinen strengen Blick dem zerklüfteten Land zu. Ein wildes Gewirr aus Felsen und Adlerfarnen, die bis zu einem dünnen Streifen Grün reichten, wo Bäume entlang des Baches wuchsen. „Es gibt welche, die denken, dass Ihr Euch nicht wirklich meiner Sache verschrieben habt.“
„Georas und ich hatten immer unsere
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