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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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ist. Den Großteil der Filme hat sie sicherlich in dem Gepäck, das Ihr Mitarbeiter in Tradespark abholt. Könnten Sie mir das Material ins Greenparc Hotel bringen lassen?«
    »Ja, der Fahrer wird heute Nacht zurück sein. Morgen früh haben Sie die Sachen. Ich wünsche Ihnen gute Reise. Und«, fügte er versöhnlich hinzu, »Sie wissen, wie Sie mich über meine Firma erreichen. Wir bleiben in Verbindung.«
    Peter sah ihn noch einen Augenblick an, er hatte sehr wohl bemerkt, dass er nicht, wie der Professor, die private Telefonnummer bekam, und auch, dass dieser Schotte ihn nicht nach seiner Adresse in Hamburg gefragt hatte. Kleinigkeiten, dachte Peter, aber typisch für diesen Mann und für einen feinfühligen Menschen sehr brüskierend.
    Als James mit Mary in die Klinik kam, erklärte Ryan den beiden die veränderte Situation und fragte Mary, ob sie mit der Untersuchung und seinen Wünschen einverstanden war.
    Mary, Mutter von drei erwachsenen Söhnen, die längst eigene Familien hatten, war keine ängstliche oder weltfremde Frau. Sie war trotz ihrer sechzig Jahre eine couragierte Person, die niemand für dumm verkaufen konnte, und sie wusste sehr schnell, um was es hier ging: Ryan McGregor liebte eine Frau, die mit dem Tode rang. Und Mary liebte Ryan McGregor, den besten Chef, den sie sich vorstellen konnte. Wenn es mit der medizinischen Versorgung klappte, konnte man alles andere getrost ihr überlassen. Und das sagte sie auch. »Sir, ich tue alles, was mir möglich ist. Sie können sich auf mich verlassen. Die Dame wird nicht einen Augenblick allein sein.«
    »Mary, die Dame heißt Andrea, und wir werden sie auch so nennen. Sie braucht einen Menschen, der sie lieb hat, und außer Ihnen ist da niemand, der ihr das zeigen könnte.«
    »Und Sie selbst, Sir?«
    »Ach Mary, kluges Mädchen, ich liebe sie, aber sie weiß es nicht, das ist das Problem.«
    »So etwas spürt eine Frau, da braucht man nicht viele Worte zu machen, Sir.«
    »Ich weiß, aber wir hatten überhaupt keine Zeit, Gefühle zu entwickeln.«
    »Waren Sie zu vorsichtig, Sir?«
    »Wie Recht Sie haben, Sie kennen mich wirklich gut, Mary.«
    Sie lächelte. »Es gehört zu meinen Aufgaben, Sir, mich um Sie zu kümmern, und das betrifft nicht nur das Essen und die Kleidung, Sir, sondern auch Ihre Seele, wenn ich das mal so sagen darf.«
    »Ich danke Ihnen, Sie dürfen das sagen. Und nun kommen Sie.«
    Mary drehte sich zu ihrem Mann um und flüsterte: »Pass gut auf ihn auf.« Dann gab sie ihm einen Kuss auf die faltige Wange und nickte Ryan zu.
    Er bat eine Schwester, Mary in ihre Obhut zu nehmen, und blieb mit James zurück. »Wir werden nach Hause fahren, ich kann hier nichts mehr tun.«
    »Jawohl, Sir. Erlauben Sie mir, Ihnen mein Mitgefühl auszusprechen und die Hoffnung, dass bestimmt alles gut wird.«
    »Danke, James.« Ryan war gerührt. Was für wunderbare Menschen es doch gab, die ihm halfen, wenn er in Not war.
    Ryan McGregor war ein Arbeiter. Abgesehen von den vier Wochen Urlaub in jedem Sommer, der allerdings in diesem Jahr so gut wie nicht stattgefunden hatte, war er von früh bis spät in seinen Betrieben. Obwohl er bestens qualifizierte Mitarbeiter hatte, kümmerte er sich um alles persönlich. Es gab kein Problem, das er nicht kannte, keine Arbeit, die er nicht hätte ausführen können. Sicher, er verbrachte täglich viele Stunden in der Vorstandsetage und dirigierte vom antiken Schreibtisch seines Großvaters aus seine Unternehmen, aber mindestens die gleiche Zeit verbrachte er auf dem Werftgelände inmitten der Arbeiter und packte mit an, wo Not am Mann war. Wenn er Jackett und Weste auszog, die Ärmel hochkrempelte und sein Büro verließ, dann wussten seine drei Vorzimmerdamen, dass er im Begriff war, an der Basis nach dem Rechten zu sehen. Und bevor er unten angekommen war, sprach es sich wie ein Lauffeuer herum: »Der Chef ist unterwegs.«
    Heute war das alles anders. Ryan stand am Fenster seines Büros und starrte auf das Werftgelände, ohne etwas zu sehen. Seit zwei Tagen lag Andrea nun auf der Intensivstation. Niemand durfte sie besuchen, auch er nicht. Die Infektionsgefahr war zu groß, wie ihm der Professor gesagt hatte. Man konnte Andrea nicht den Rücken verbinden, denn die Narben mussten trocken gehalten werden, weil sie Luft brauchten, um zu heilen. Das bedeutete, dass sie mit zahllosen vernähten, aber doch offenen Wunden dalag und sich nicht rühren konnte. Sie wurde künstlich ernährt und in einem Dämmerschlaf

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