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Schottische Engel: Roman (German Edition)

Schottische Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schottische Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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es sich etwa anders überlegt? Ist er gar nicht abgereist, sondern amüsiert sich doch noch in Hamburg?«, flüsterte sie vor sich hin und eilte zum Ticketschalter.
    Erst in der Maschine sah sie Walter Perband wieder. Er hatte einen Fensterplatz eingenommen, und die Sitze neben ihm, vor ihm und hinter ihm waren von anderen Reisenden besetzt.
    »Oh, mein lieber Walter, ich habe mich etwas verspätet. Wie ungeschickt von mir. Nun können wir nicht nebeneinandersitzen, oder wäre Ihr Nachbar bereit, seinen Platz mit meinem zu tauschen?«, säuselte sie liebenswürdig und legte ihre Hand ganz diskret auf die Schulter des Fremden. Irritiert sah der Mann von der Zeitung auf, in der er gerade die Börsenmitteilungen las, und starrte erst den Mann neben sich und dann die Frau über sich an.
    Perband versuchte, den Kopf zu schütteln, aber Joan flüsterte bereits erneut: »Es wäre so liebenswürdig von Ihnen. Wissen Sie, wir haben sehr viel zu besprechen, bevor die Maschine landet.«
    Das Anschnallzeichen leuchtete auf, und die Stewardess bat die Reisenden, ihre Plätze einzunehmen. Joan beugte sich etwas tiefer zu dem Fremden und gestattete ihm einen Einblick in ihr Dekolleté. Mit geröteten Wangen quälte sich der Mann schließlich aus seinem Sitz. »Selbstverständlich, gnädige Frau«, krächzte er heiser und machte den Platz neben Walter Perband frei. Der sah konzentriert und konsterniert aus dem Fenster. Die Frau, die er nicht mochte, saß plötzlich auf Tuchfühlung neben ihm, presste sich an seine Seite und flüsterte ihm ins Ohr: »Wo ist denn nun der kostbare Koffer, lieber Walter?«
    »Im Frachtraum natürlich, wo denn sonst«, murrte er unhöflich. Die Frau irritierte ihn, und er spürte Regungen in sich, die ihm absolut unbekannt waren. Er schloss die Augen, drängte sich im Sitz so weit wie möglich an die Außenseite und erklärte: »Ich möchte jetzt schlafen.«
    Aber das passte Joan gar nicht. »Unsinn, Sie werden doch ein interessantes Gespräch nicht ausschlagen. Also, was ist wirklich in diesem ominösen Koffer, lieber Walter?«
    »Ein Stück Holz, und jetzt lassen Sie mich in Ruhe.«
    »Ein Stück Holz? Sie machen Scherze. Warum sagen Sie mir nicht die Wahrheit?«
    »Es ist die Wahrheit.«
    »Unsinn, wie kann sich ein Stück Holz in zwei Kofferhälften befinden?«
    »Es ist geteilt worden, das ist alles.«
    »Und um ein Stück geteiltes Holz zu holen, fliegen Sie zwischen Edinburgh und Hamburg hin und her?«
    »Es gehört einem Museum, und ich holte es. Das ist alles.«
    »Dann muss es aber ein sehr wertvolles Stück Holz sein. Vielleicht könnte ich Ihnen helfen, es durch den Zoll zu bringen?«
    »Mit dem Zoll ist alles geklärt.«
    »Aber ich könnte etwas mit dem Inspektor flirten, sollte es doch zu einer Prüfung kommen. Zöllner können sehr unberechenbar sein. Vielleicht hatte er Ärger mit seiner Frau, oder er hat Bauchweh vom Frühstück, alles wäre möglich.«
    »Himmel, was reden Sie sich da ein. Ich brauche keine Hilfe, und ich will jetzt meine Ruhe haben.« Walter Perband schloss die Augen und reagierte nicht mehr, als sie anfing, seinen Ärmel zu streicheln. ›Ausgerechnet mir, der ich Frauen nicht ausstehen kann, muss diese Person über den Weg laufen‹, dachte er und wunderte sich, dass sein Körper auf ihre Berührung reagierte. ›Verflixt, wann landen wir endlich?‹ Dann schlief er ein, und während seine Unterlippe schlaff nach unten fiel, stellte Joan fest, dass er wirklich kein attraktiver Mann war. ›Aber er gehört irgendwie zu David und dieser neuen Freundin‹, sinnierte sie, ›und deshalb werde ich diesen Langweiler ertragen, bis ich weiß, was wirklich in dem Koffer ist, und dann ist es nicht schwer, diesen Koffer in meine Hände zu bekommen. Ein Stück Holz‹, dachte sie, ›ein dummes, gespaltenes Stück Holz, wie kann mich dieser Mann bloß für so dumm halten!‹ Und dann zählte sie zwei und zwei zusammen: Holz, Museum, alt! Und: David, historische Filme, Antiquitäten! ›Ja, das muss es sein. Dieser Mann schmuggelt für David einen wertvollen Holzschatz von Hamburg nach Schottland. Und wenn David extra einen Mann damit betraut, dann muss es ein sehr wertvoller Schatz sein.‹ Als sie so weit in ihren Gedanken gekommen war, setzte die Maschine zur Landung an.
    Joan drängte zur Gepäckausgabe. Sie wollte unbedingt dabei sein, wenn dieser Walter den Koffer in Empfang nahm. Und dann passierte es. Als sie die Rolltreppe hinunter zu den Förderbändern betrat, wurde

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