Schottische Engel: Roman (German Edition)
kommen Sie und freuen Sie sich auf einen sehr netten Mann.«
Drinnen empfing sie leise Musik. Gäste in Abendkleidung gingen durch die Räume und unterhielten sich leise. Isabelle Lloyd legte ihren Arm in den von James und führte ihn zu einem Mann, der am Fuße einer breiten Treppe stand und sich unterhielt. »Mister Södergren, darf ich Ihnen Doktor James Grantino vorstellen? Er war so nett, mich zu begleiten, mein Mann war wieder einmal nicht zu finden.«
Der Hausherr verbeugte sich vor den neuen Gästen. Er begrüßte Isabelle mit einem freundschaftlichen Kuss auf die Wange und James mit einem Handschlag. »Reizend, dass Sie gekommen sind. Die kleine Eröffnung findet gleich statt. Bitte fühlen Sie sich wie zu Hause. Isabelle, Sie kennen ja die Räumlichkeiten. Ich bin gleich an Ihrer Seite.« Er wandte sich neu eintreffenden Gästen zu.
Isabelle lächelte. »Er macht es meist sehr geheimnisvoll. Aber seine Veranstaltungen haben immer Stil, das bewundere ich an ihm.«
»Sie kennen ihn gut?«
»So, wie man den Freund des Ehemannes kennt. Wir sehen ihn selten, er ist nicht oft in Edinburgh. Seinen Hauptwohnsitz hat er in der Nähe von Stockholm, aber meist ist er auf Reisen. Die nutzt er dann, um seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen.«
»Und die wäre?«
»Das Sammeln von Antiquitäten. Wobei er sehr rigoros vorgehen kann, wie mir erzählt wurde.«
»Und was heißt das?«
»Wenn er ein seltenes Stück gefunden hat, scheut er keine Mittel, um in dessen Besitz zu kommen.«
»Nun, die finanziellen Möglichkeiten dazu hat er ja.«
»Aber er scheut auch nicht so kleine Gemeinheiten wie den Einsatz von Spitzeln. Und auch vor Bestechungen schreckt er nicht zurück. Dabei möchte ich betonen, dass er kein Betrüger ist. Er ist nur oft schneller als andere Interessenten, weil er früher weiß, wo es Raritäten gibt.«
Grantino nahm Isabelles Arm und führte sie zu einer Bar. »Ein Glas Champagner?«
»Gern.« Sie sahen sich in die Augen, und Grantino war bestürzt von der Intensität, mit der sie ihn ansah. »Ich habe Ihnen vorhin das Du angeboten und Sie gebeten, mich einfach Isabelle zu nennen. Warum sind Sie nicht darauf eingegangen?«
»Ich war überrascht. Schließlich bin ich doch heute nur Ihr Chauffeur.«
»Aber Sie haben gesagt, Sie hätten mich gern näher kennengelernt. Heute haben Sie Gelegenheit dazu.«
»Ich weiß, aber darf ich so eine Chance nutzen?«
»Du darfst, und nun lass uns endlich auf das Du anstoßen.« Sie sahen sich tief in die Augen, und plötzlich war die Vertrautheit zwischen ihnen ganz selbstverständlich.
Lächelnd beobachtete Christian Södergren die beiden aus der Entfernung. ›Schön‹, dachte er, ›anscheinend hat Isabelle endlich einen Freund gefunden.‹ Er beobachtete sie oft, wenn sie ihm an der Seite ihres Mannes begegnete. Er hatte selten so ein ungleiches Paar gesehen. Sie, die junge Frau aus einfachen Verhältnissen, die in die Geborgenheit seines Reichtums, seines Ansehens und seiner Prominenz geflüchtet war, und er, der sich mit ihrer Jugend, mit ihrer Schönheit und ihrer Ergebenheit schmückte. Auf eine gewisse Weise schienen sie ihr Glück gefunden zu haben, aber die Einsamkeit, die sie umgab, blieb ihm nicht verborgen. ›Isabelle ist nicht dumm‹, dachte er, ›sie wird ihren Weg gehen, und wenn sie klug ist, wird es nun sogar ein glücklicher Weg sein.‹
Södergren wandte sich an seine Gäste. Die Musiker spielten einen kleinen Tusch, und alle wandten sich dem Hausherrn zu.
»Meine Damen, meine Herren, liebe Freunde, herzlich willkommen. Ich freue mich, Sie alle hier begrüßen zu können. Wie so manches Mal habe ich auch heute eine kleine Überraschung für Sie. Ich möchte Sie mit meiner neuesten Errungenschaft bekannt machen und hoffe, Sie freuen sich mit mir, dass ich ein lange vermisstes Wunderwerk der Holzschnitzkunst erwerben konnte. Es handelt sich um eine seit Jahrhunderten verschollene Skulptur, der ich nun in meinem Heim ein neues Zuhause geben kann. Bitte folgen Sie mir.«
Er führte seine Gäste in einen kleinen, von Kerzen erleuchteten Raum. Vor einer mit blauem Samt tapezierten Wand stand auf einem Sockel eine mit grauer Seide verhüllte Skulptur. Diener gingen mit Tabletts voller Champagnergläser umher und boten das kostbare Getränk an, während sich Christian Södergren neben die verhüllte Skulptur stellte, sein Glas erhob und mit den Worten »Trinken wir auf meinen Engel« das Seidentuch entfernte.
Vor den Gästen
Weitere Kostenlose Bücher