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Schottische Engel: Roman (German Edition)

Schottische Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schottische Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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und volle Aschenbecher fort. Mary blieb neben David. Die vielen fremden Menschen, zum Teil höflich, zum Teil arrogant, zum Teil freundlich oder blasiert, machten sie unsicher. Sie spürte, dass vieles unecht war, dass selbst hier noch Rollen gespielt wurden. David, der sie beobachtete, lächelte. »Sie können ihre Allüren nicht ablegen«, erklärte er. »Selbst die, die gar nicht spielen, meinen, ihre angeblichen Kompetenzen bis in dieses Haus hineintragen zu müssen. Sie fühlen sich so bedeutungsvoll, dass sie ihre eigentliche Persönlichkeit vergessen.«
    »Dann sind sie zu bedauern.«
    »Ja, das sind sie. Wenn ein Film zu Ende ist, und ich gebe zu, dass es sich meist um eine lange Zeit handelt, in der sie in die Rolle anderer schlüpfen müssen, haben sie es schwer, sich im wirklichen Leben zurechtzufinden. Und das betrifft nicht nur die Schauspieler, sondern alle. Während der Produktion sind sie ›wer‹, und danach ein ›Niemand‹ im realen Leben.«
    »Es muss schwer sein, das zu verkraften.«
    »Das ist es, aber nur für die Beschränkten. Die Klugen lösen sich und werden wieder frei. Aber das sind die wenigsten.«
    »Bist du nicht zu streng?«
    »Ich bin es geworden, das bringt einfach die Erfahrung so mit sich.«
    »Kannst du ihnen nicht helfen, schneller auf den Boden der Realität zurückzufinden?«
    »Das tue ich, indem ich sie ganz schnell mit anderen Aufgaben versehe. Neue Arbeit, ein neues Milieu, eine fremde Umgebung, kurz gesagt: andere Umstände, die helfen am besten.«
    Der Butler kam und erklärte: »Sir, der Konferenzraum ist fertig.«
    »Danke, wir ziehen gleich um.« David wandte sich an Mary: »Möchtest du mitkommen?«, und ohne ihre Antwort abzuwarten, stand er auf, klatschte in die Hände und rief: »Meine Damen, meine Herren, auf geht's. Bitte folgen Sie dem Butler.«
    Unwirsch, weil der gemütliche Teil anscheinend zu Ende war, erhoben sich die Gäste und folgten Stephan, einem kleinen, rundlichen Mann, der seine Livree und seine Glatze mit hoch erhobenem Haupte trug. »Bitte hier entlang.«
    Mary folgte dem Tross als Letzte. Sie hatte die unteren Räume von ›Lone House‹ noch nicht kennengelernt und war erstaunt von der Größe und von der Weitläufigkeit des Hauses. Korridore führten in einen Seitenflügel und schließlich in einen Saal, der mit einem großen runden Tisch und zwei Reihen von Stühlen drumherum möbliert war. Nur in einer Ecke stand noch ein kleinerer Tisch mit allen elektronischen Geräten moderner Büroarbeit, an dem eine Sekretärin Platz nahm. Andere Möbel gab es nicht. Auf dem runden Tisch lagen Schreibblöcke mit Kugelschreibern, außerdem gab es Mineralwasserflaschen und Gläser. Nach dem reichhaltigen Büfett im Empfangssalon eine karge, äußerst nüchterne Atmosphäre.
    Als alle Platz genommen hatten, der Produktionsleiter, die Stars und Regisseure, die Drehbuchautoren und Kameramänner am Tisch, alle anderen auf den Stühlen dahinter, trat David McClay mit Mary an den Tisch.
    »Hiermit stelle ich Ihnen Miss Mary Ashton vor, Kunsthistorikerin und Expertin in allen historischen Fragen, die Masken, Kostüme, Sprachen, Bewegungen, Benehmen, Gewohnheiten, Sitten und Gebräuche, um nur ein paar Bereiche zu nennen, betreffen.«
    Er bot Mary den Platz neben sich an und eröffnete die Konferenz mit den Worten. »So, und wo brennt's nun?«
    Alle begannen gleichzeitig zu reden. Zu verstehen war niemand. McClay benutzte eine Tischklingel und gebot energisch Einhalt. »So geht es nicht. Graham, übernehmen Sie das Wort.«
    Und der Produktionsleiter begann zu sprechen, immer wieder durch Zurufe unterbrochen. Die Schauspieler beklagten sich über den viel zu frühen Beginn der Arbeit, sie müssten schon um fünf Uhr in der Maske sein, die Maskenbildner und Friseure beschwerten sich über die übel gelaunten, unhöflichen Schauspieler am frühen Morgen, die Drehbuchautoren klagten über die Regisseure, und die wiederum schimpften auf die Literaten, die sich nicht in ihre Texte hineinreden lassen wollten. Eigentlich schimpften alle auf alle, und zum Schluss stand McClay auf und sprach ein Machtwort. »Wem die Arbeit nicht passt, der kann gehen. Obwohl wir mitten in den Aufnahmen stecken, kann jeder den Dreh sofort verlassen. Es gibt Hunderte von Mitarbeitern, die nur darauf warten, Ihre Aufgaben zu übernehmen. Und das gilt für alle, die hier anwesend sind. Ich habe keine Zeit und keine Lust, mich mit Ihren kleinkarierten Modalitäten zu beschäftigen, dafür

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