Schottische Engel: Roman (German Edition)
aber das ist lange vorbei.«
»Schade für Sie. Ich kann mir ein Leben in der Stadt überhaupt nicht vorstellen:« Er sah sie mitleidig an. »Ich heiße Paul.«
»Ich bin Mary.« Sie reichte ihm die Hand und dachte: ›Was für eine harte, verarbeitete Hand mit all ihren Schwielen und ihrem festen Druck.‹
»Hier, auf dieser Wiese, fällt mir wieder ein, wie das Land riecht, wie der Wind weht, wie weit der Himmel ist. Ich wusste gar nicht, wie sehr mir das alles fehlt.«
»Dann sollten Sie öfter herkommen. Möchten Sie so ein Lämmchen im Arm halten, Mary?«
»Wenn ich darf, ja, gern.«
Er beugte sich vor und hatte mit raschem Griff so ein Wollknäuel im Arm. »Bitte.«
Zaghaft griff Mary nach dem zappelnden Lamm. »Nehmen Sie es ruhig fest in den Arm, es ist nicht so empfindlich, wie es aussieht.«
Blökend kam das Mutterschaf angelaufen, aber einer der Hunde scheuchte es zurück. Mary drückte ihr Gesicht in die weiße Wolle, und mit einer raschen Bewegung schleckte ihr das Tierchen quer über das Gesicht. Paul grinste. »Es mag Sie.«
Mary lachte glücklich: »Es ist so warm und so weich, und es riecht so gut nach Milch und Wolle und Wiese.« Zärtlich strich sie ihm über das schwarze Gesicht, dann beugte sie sich nieder und stellte es wieder auf den Boden. »Es soll nicht länger von der Mutter getrennt sein.« Nach ein paar übermütigen Sprüngen fand das Lamm die Mutter wieder und stärkte sich mit ihrer Milch.
»Paul, ich beneide Sie.«
Der Schäfer lachte. »So romantisch ist mein Leben gar nicht. Sehen Sie da drüben das Schaf, das so unruhig hin und her läuft. Es will lammen und kann nicht, ich muss mich darum kümmern.« Und nach einem kurzen Augenblick, in dem er sie prüfend ansah: »Ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen.«
»Meine Hilfe? Aber ich habe noch –«
»Sie brauchen es nur festzuhalten.« Und ohne auf ihren Einspruch zu reagieren, griff er das Schaf und legte es mit einem sicheren Handgriff auf den Boden. »Kommen Sie, halten Sie es einfach fest.«
»Aber wie ...?« Mary kniete neben dem Schaf.
»Drücken Sie es am Hals und am Rücken fest auf den Boden.«
Dann zog der Schäfer einen armlangen Kunststoffhandschuh an und langte mit der Hand in die Scheide des Schafs. »Hab ich mir gedacht«, murmelte er, »da sind die Beine im Weg, ich muss das Lamm umdrehen.« Und gleich darauf: »So, das haben wir geschafft.« Und während er ein winziges, blutbeschmiertes Lämmchen aus dem Mutterleib zog, ihm die Haut der Fruchtblase vom Gesicht wischte, damit es atmen konnte, und die Nabelschnur durchtrennte, rief er Mary zu: »Halten Sie das Schaf noch fest, ich muss prüfen, ob da noch ein zweites auf die Geburt wartet.« Aber nach einem Augenblick nickte er ihr zu. »Jetzt können Sie das Schaf loslassen, ein zweites Lamm gibt es nicht.«
Das Muttertier sprang auf, und Paul hielt ihr das Neugeborene vor die Nase, dann ließ er beide allein. »Kommen Sie, Mary, die werden jetzt allein fertig.« Er streifte den Handschuh ab, wickelte ihn zusammen und steckte ihn in die Manteltasche. Dann reichte er Mary die Hand. »Danke, Miss, Sie haben das prima gemacht.«
Mary nickte erleichtert. »So etwas habe ich noch nie erlebt.«
»Dann wurde es höchste Zeit, Miss.«
»Aber was hätten Sie ohne mich gemacht?«
»Ich hätte das Schaf fesseln und anbinden müssen, und das mögen die Tiere gar nicht. Da bekommen sie Todesangst und verkrampfen sich so, dass ich kaum helfen kann.«
Mary sah hinüber zu dem Mutterschaf, das sein Lämmchen leckte.
»Ist das nicht zu kalt hier draußen für so ein Neugeborenes?«
»Nein, die Schafe sind das Wetter gewöhnt, und die Kleinen kuscheln sich in das Fell der Mutter. Die weiß genau, was ihr Junges braucht, und legt sich hin, um es zu schützen, wenn es nötig ist.«
Die frühe Dämmerung brach herein. Die Sonne verschwand hinter den Bergen, das Licht verlor seinen Glanz. Der Schäfer rief die Hunde und erteilte ihnen mit wenigen Worten seine Anweisungen. »Ich muss zurück in den Stall, die Nächte bringen noch Frost, und der ist dann wirklich zu ungemütlich für die kleinen Lämmer.«
Mary nickte. »Ich muss auch zurück nach ›Lone House‹. Es war schön, Sie und die Herde zu treffen.«
»Sie wohnen in ›Lone House‹?«
»Ich bin dort zu Besuch.«
»Dann kommen Sie mit mir. Ich zeige Ihnen eine Abkürzung.«
»Kennen Sie den Lord?
»Natürlich, die Herden gehören ihm, er ist mein Chef.«
»Die Herden?«
»Ja, dies hier ist nur eine
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