Schottische Engel: Roman (German Edition)
Edinburgh und Glasgow und wer weiß wohin noch.
Aber heute wollte er nicht an die Arbeit und ihren Ärger denken. Heute wollte er endlich mit dem Hengst in die Berge. Er hatte gleich am Morgen den Reitdress angezogen und Sophie, die Köchin, gebeten, ein Picknick für die Satteltaschen vorzubereiten. Auf der Suche nach dem Fernglas, das er immer mitnahm, um das Wild zu beobachten, lief er durch das Haus. Aber nach der Abreise von Mary kam ihm sein schönes, geliebtes ›Lone House‹ leer und trist vor. ›Eigenartig‹, dachte er, ›sie hat sich kaum im Haus bewegt, sie musste das Bett und dann das Zimmer hüten, und nur ganz zum Schluss hat sie die Mahlzeiten mit mir eingenommen. Trotzdem kommt es mir vor, als sei sie noch überall gegenwärtig. Aber sie ist fort. Ob sie noch an mich denkt? Ob sie sich an unsere Gespräche erinnert? Ob sie gespürt hat, dass ich sie begehre und heute schon Sehnsucht nach ihr habe? Sie war so offen, so natürlich, so wunderbar normal. Hoffentlich hat sie keinen Ärger im Museum. Auf der einen Seite wünsche ich ihr das, aber auf der anderen Seite bin ich selbstsüchtig genug, ihr Ärger zu wünschen, denn dann könnte ich sie überreden, an meiner Seite zu arbeiten.‹
Endlich hatte er das Fernglas gefunden. Es hing wie immer am Garderobenhaken bei seinen Jagdgeräten.
Hanna kam und brachte ihm das Päckchen mit dem Picknick aus der Küche. »Wann dürfen wir Sie zurückerwarten, Lord McClay?«
»Es kann spät werden. Ich habe nur diesen Tag zum Reiten, ich will mindestens bis an den Douglas Burn, ich habe im vorigen Jahr dort oben Weißkopfadler gesehen. Sie müssten jetzt mit der Paarung beginnen.«
»Dann wünsche ich Ihnen viel Glück, Lord McClay.«
»Danke, Hanna.« Er wandte sich der Tür zu, die in die Wirtschaftsräume und dann zum hinteren Hofteil führte. Die paar Schritte zum Wirtschaftshof ging er immer zu Fuß. Dabei bekam er einen ersten Eindruck vom Arbeitsablauf in der Landwirtschaft. Für ein Gespräch mit seinem Verwalter Jean Cook war es wichtig, dass er wenigstens so tat, als hätte er einen Überblick. Für ein ausführliches Gespräch würde die Zeit sowieso nicht reichen. Wenn er heute bis hinauf zum Douglas Burn reiten wollte, war es bei seiner Rückkehr dunkel, und dann hatte er auch keine Lust mehr auf ein Gespräch über Bilanzen, Preise und notwendige Anschaffungen.
Bevor David McClay die Gebäude erreichte, sah er, wie der Schäfer eine kleinere Herde auf die östlichen Wiesen trieb. ›Das muss die Herde sein, von der Mary erzählt hat‹, dachte er, als er die Muttertiere mit den Lämmern beobachtete.
Dann hatte er die Stallungen erreicht und atmete zufrieden den Geruch von Pferden, Stroh, Leder und Huffett ein. Lancelot stand gesattelt und mit dem Halfter festgebunden in seiner Box. Nur die Trense musste er ihm noch anlegen. Er sprach mit dem Hengst, als er die Box betrat. Das Pferd richtete die Ohren auf, wandte ihm den Kopf zu und schnaubte leise. »Hast mich noch erkannt, was?« David kramte in seiner Jackentasche und holte ein Pellet hervor. »Brav bist du, mein Guter. Gehen wir zwei raus in die Berge? Du und ich, uns fehlt die frische Luft, die da oben weht, und die holen wir uns jetzt.« Er gab dem Pferd noch ein Pellet und steckte sein Lunchpäckchen, das Fernglas und das Handy in die Satteltasche. Dann nahm er die Trense vom Haken neben der Tür, streifte dem Hengst das Halfter ab und legte ihm die Zügel um den Hals. Er zäumte das Pferd auf und erzählte ihm von dem Weg, der vor ihnen lag. Seine Stimme sollte den Hengst beruhigen, der so selten geritten wurde, weil er jeden fremden Reiter abwarf und außer dem Pfleger und ihm keinen anderen Menschen in seiner Nähe duldete. Zum Glück hatte McClay einen Stall mit großer Auslaufwiese für den Hengst anbauen lassen, sodass das Tier, wenn es schon nicht mit den anderen Pferden und den Stuten zusammen auf die großen Weiden hinausdurfte, einen einigermaßen weiträumigen Auslauf hatte.
Immer weiter auf ihn einredend, führte er den Hengst aus dem Stall, dann kontrollierte er die Bügellänge, zog den Sattelgurt fest und nahm die Zügel in die linke Hand. »Und jetzt steh bitte still, bis ich oben bin. Lancelot, du weißt, ich bin ein älterer Herr.«
Der Hengst tänzelte nervös auf dem Kopfsteinpflaster, aber McClay schaffte das Aufsitzen beim ersten Versuch und nahm sofort die Zügel in beide Hände. Der Hengst war nervös. Er roch rossige Stuten, spürte den Wind, der von den
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