Schottische Engel: Roman (German Edition)
kommt Lancelot allein zurück.«
»Dann ist dem Chef was passiert? Ist er gestürzt? Er ist doch so ein sicherer Reiter, und Lancelot hat ihn noch nie im Stich gelassen.«
Mike besah sich das Pferd genauer. »Gestürzt ist der Lord nicht. Die Sattelgurte waren gelockert, sonst wäre der Sattel nicht verrutscht, und der Ast an den Zügeln bedeutet, dass er sein Pferd irgendwo angebunden hatte.« Mike führte den schweißbedeckten Hengst in die Box und nahm ihm den Sattel und die Trensenreste ab. Dann begann er, das Pferd mit Stroh abzureiben. »Der ist in Panik geraten, hat sich losgerissen und ist heimgaloppiert.«
»Aber von wo?« Der Verwalter untersuchte den Sattel. In der Tasche fand er den Imbiss und das Handy. »So ein Pech, jetzt hat der Lord nicht mal sein Handy zur Verfügung. Hast du eine Ahnung, wohin er wollte?«
»Er hat nichts gesagt. Ich sollte ihm nur das Pferd fertig machen, dann käme er allein zurecht. Das war alles, was er am Telefon gesagt hat.«
»Himmel, wo sollen wir denn dann mit einer Suche anfangen? Überleg doch mal, ob dir nichts einfällt. Wohin reitet er denn am liebsten oder am häufigsten?«
Mike kratzte sich am Kopf und überlegte. Man sah ihm die Anstrengung an. »Also, im Frühling besichtigt er gern die Weiden oben am Black Law. Aber da sind die Schafe in diesem Jahr noch nicht. Es ist zu früh.«
»Und sonst?« Cook sattelte bereits sein eigenes Pferd und rief zwei Knechte herbei, die ebenfalls Pferde für die Suche fertig machen mussten.
»Manchmal ist er drüben am Megget Reservoir und kontrolliert den Wasserstand, wenn der Winter zu trocken war. Dann wollen die Männer von der Wasserversorgung in Edinburgh wissen, wie es um ihr Trinkwasser steht.«
»Gut, dann schicken wir Tim mit dem Wagen dorthin, da gibt es ja eine befahrbare Straße. Los, Leute, beeilt euch«, forderte er die beiden Knechte auf. »Ihr kommt mit mir. Und du, Mike, holst dir den Border-Collie vom Schäfer, der den Lord am besten kennt. Dem hälst du die alte Jacke vom Lord vor die Nase, die in der anderen Satteltasche steckt, und reitest hinter dem Hund her, vielleicht erschnüffelt er ja den Weg.«
Eine knappe halbe Stunde später waren die Suchtrupps unterwegs. Der Verwalter hatte im Schloss Bescheid gesagt und darum gebeten, ihn zu benachrichtigen, falls sich der Lord melden sollte. Dann hatte er Handys an alle verteilt, und man war in drei verschiedene Richtungen aufgebrochen.
Um sechs Uhr rief Mary Ashton an, um David McClay zu sprechen.
Stephan, der Butler, zutiefst erschüttert über die Tatsache, dass sein Herr vermisst wurde, musste sich schnäuzen, bevor er am Telefon sagen konnte, dass seine Lordschaft verloren gegangen sei.
XIV
Müde und erschöpft kam James Grantino an diesem späten Abend nach Hause. Es hatte einen Unfall auf einer der Ölbohrinseln im Firth gegeben, und die Verletzten wurden mit Hubschraubern in das Krankenhaus eingeflogen. Knochenbrüche, Quetschungen mit inneren Blutungen und Verbrennungen waren die häufigsten Verletzungen, und alle Ärzte mussten bis zur Erschöpfung helfen, die Wunden zu versorgen. Das Krankenhaus war keine eigentliche Unfallklinik, musste aber bei der Versorgung Verletzter helfen, wenn die Unfallkliniken überbelegt waren. Und das war zurzeit in Edinburgh der Fall. Ein Großfeuer in einer Chemiefabrik, eine Schiffskollision im Firth of Forth und die Sprengung einer alten Bunkeranlage, die zu früh hochgegangen war, hatten so viele Verletzte gefordert, dass alle Krankenhäuser der Stadt voll belegt waren.
Grantino schloss die Haustür auf und drückte auf den Schalter, der automatisch im ganzen Haus für Licht sorgte. Er legte seinen Mantel ab, den er im Krankenhaus über den Arztkittel gezogen hatte, und knöpfte gerade den Kittel auf, als es an die Terrassentür klopfte. Erschrocken drehte er sich um und erkannte im Schein der Lampe Isabelle Lloyd, die auf der Terrasse stand und weinte.
Er öffnete das Sicherheitsschloss und riss die Tür auf. »Mein Gott, Isabelle, was ist passiert? Komm herein, hier, setz dich.«
Er zog ihr einen Sessel zurecht, aber die Frau setzte sich nicht, sondern fiel ihm schluchzend in die Arme. Bestürzt hielt er sie einen Augenblick fest, dann löste er sich, führte sie zum Sessel und reichte ihr sein Taschentuch. »Bitte, beruhige dich. Was ist denn passiert?«
Es dauerte einen Augenblick, bevor sie sprechen konnte, dann stammelte sie: »Er hat mich geschlagen. Seit unserem Tanz neulich, als er uns
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