Schottische Engel: Roman (German Edition)
Flaschen und Gläsern, und einige besonders ausgewählte, wertvolle Gemälde und Zeichnungen zierten die Wände.
Die Mitarbeiter des Museums kamen selten in diese Etage. Aber Mary wollte ihr Gespräch hinter sich bringen und scheute die misstrauischen Gesichter der hier oben arbeitenden Angestellten nicht.
Sie klopfte an die Mahagonitür, und auf das »Herein« der Sekretärin betrat sie das Vorzimmer. »Guten Morgen. Ich habe vorhin angerufen und Sie um einen Termin bei Professor Connor gebeten. Ich bin Mary Ashton und ich wollte mich aus Dumfries zurückmelden.«
»Ja, die vergebliche Reise nach Dumfries, ich weiß«, erwiderte die Dame hinter ihrem Schreibtisch mit den zahlreichen Apparaten. »Der Professor hat in wenigen Minuten Zeit für Sie. Setzen Sie sich doch.«
Mary nahm auf einem der Stühle Platz, die einen Tisch mit Wasserflaschen und Gläsern umrundeten, während die Sekretärin sie anmeldete. Nach einiger Zeit – ›er will mich zappeln lassen‹, dachte Mary – ertönte ein Klingelzeichen auf dem Schreibtisch, und Miss Abberton stand auf und begleitete Mary zur zweiflügeligen Tür, die ins Büro von Professor Connor führte. Mit einem »Bitte sehr, Miss« ließ sie Mary eintreten.
Selbstbewusst und mit erhobenem Kopf ging Mary an der Dame vorbei und stellte sich vor den Schreibtisch. »Guten Morgen, Professor Connor. Ich bin Mary Ashton und ich bin gestern Abend aus Dumfries zurückgekommen. Leider ohne den Titurenius-Engel.«
Leicht verwirrt sah der alte Mann mit dem grauen Vollbart von seinen Papieren auf. »Ja, richtig, Sie sollten ja den Engel für uns holen. Sie waren sehr sicher, dass Sie ihn ersteigern würden.«
»Ja, Herr Professor, nur, einen Engel, der nicht vorhanden ist, kann man nicht erwerben.«
»Da haben Sie natürlich recht, Miss Ashton, dennoch bedeutet Ihre vergebliche Reise einen großen Verlust für unser Haus. Wir hatten fest mit dem Erwerb gerechnet.«
»Der Engel hat bereits vor der Versteigerung den Besitzer gewechselt, nur hat man vermieden, ihn aus dem Auktionsprospekt zu streichen. Die Veranstalter erwarteten zahlreiche Interessenten für den Engel, die dann vielleicht andere Kunstgegenstände ersteigern würden.«
»Und, ist die Rechnung aufgegangen?«
»Nein, es kam zu einem Eklat, und die Versteigerung wurde beendet, bevor sie begonnen hatte.«
»Ich habe in der Zeitung darüber gelesen. Miss Ashton, ich bedauere diesen Misserfolg, an dem Sie aber keine Schuld haben.«
Mary nickte erleichtert. »Ich möchte als Erstes das Geld für die Anzahlung zurückgeben.« Sie öffnete ihre Tasche und entnahm ihr einen Umschlag. Aber der Professor winkte ab. »Das können Sie bei meiner Sekretärin abgeben. Ich möchte Ihnen nur noch sagen, dass ich vollstes Vertrauen in Ihre Arbeit habe – trotz des Misserfolgs mit dem Engel.«
Mary lächelte beruhigt. »Danke, Professor Connor. Ich habe aber auch eine positive Nachricht für Sie.«
»Ich höre?«
»Ich weiß, wo sich der Titurenius-Engel befindet.«
»Ach ja?«
»Ein Bekannter von mir war vor einer Woche bei der Präsentation des Engels im Hause Södergren. Dort wurde der Erzengel Gabriel von Titurenius einem ausgewählten Publikum gezeigt.«
»Donnerwetter.« Der Professor schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und stand verärgert auf. »Da ist der Schwede uns wieder einmal zuvorgekommen! Diesen Engel können wir abschreiben. Der Södergren trennt sich niemals von seinen kostbaren Stücken, ich kenne den Mann. Da müssen wir froh sein, wenn so ein Objekt, das unsere ganze Nation interessiert, hier im Lande bleibt und nicht nach Schweden ausgeführt wird.«
»Dürfte er das?«
»Da müsste ich mich beim Zoll erkundigen. Aber Södergren hat alle Möglichkeiten, ein Sammlerstück ins Ausland zu transportieren. Niemand weiß, was er wirklich besitzt, und wenn Sie nicht durch Zufall darauf gekommen wären, wüsste kein Mensch, wo der Engel geblieben ist. Auch der Auktionator ist zum Schweigen verpflichtet.«
»Aber Herr Södergren macht gar kein Geheimnis aus seiner Sammlung.«
»Das ist der dumme Besitzerstolz, dem entkommt kein Sammler. Irgendwie muss er doch zeigen, was er hat. Und wenn die Bewunderer gegangen sind, gibt er Ruhe. Dann genügt ihm der Besitz allein.«
Mary nickte zufrieden. »Ich hätte noch eine gute Nachricht, Herr Professor.«
»Ach ja? Langsam machen Sie mich neugierig, Miss Ashton.«
»Ich kenne Herrn Södergren persönlich. Er bat mich, einige seiner Kunstobjekte und ihre
Weitere Kostenlose Bücher